Treffen der Fußballgewerkschaft

Genossen vor dem Tore

Die Generalversammlung aller Fußballgewerkschaften findet in Berlin statt. Von gleichen Arbeitsbedingungen sind die Spieler aber weit entfernt.

Wenn der AC Florenz in der vierten Liga unter anderem Namen neu anfangen muss oder der österreichische Meister FC Tirol in die dritte Spielklasse abstürzt, nachdem er, so die Süddeutsche Zeitung, das Opfer eines »Wirtschaftskrimis« geworden ist, dann trauert die Fußballgemeinde zwar vielerorts, weil mit Tradition behaftete Namen in der Versenkung verschwinden. Aber das individuelle Schicksal eines namenlosen Profis, der angesichts der fast überall gegenwärtigen Krise der Fußballweltwirtschaft auch nicht so leicht woanders unterkommt, interessiert die Öffentlichkeit kaum.

Umso wichtiger ist die Arbeit der 41 Spielergewerkschaften aus aller Welt geworden, die sich in der in Gouda/Niederlande ansässigen Fifpro zusammengeschlossen haben. Vom 12. bis zum 15. Dezember trifft sich der Dachverband, der 35 000 Spieler vertritt, in Berlin zu seiner jährlichen Generalversammlung.

Die Fifpro, 1965 gegründet, aber erst in den letzten fünf Jahren von einer europa- zu einer weltweit operierenden Organisation geworden, sei so heterogen »wie die Partei der Grünen vor dem Einzug in die Parlamente«, sagt Thomas Hüser, der Geschäftsführer der deutschen Vereinigung der Vertragsfußballer (VdV), die die Versammlung ausrichtet. Dennoch laufe, so stichelt er, die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlich strukturierten Organisationen »besser als die zwischen den Mitgliedern des Weltfußballverbandes Fifa«.

Die mächtigste fußballerische Einzelgewerkschaft der Welt ist die englische PFA, die mehr als 150 Mitarbeiter beschäftigt und sogar Krankenhäuser finanzieren kann. Kein Wunder, denn fünf Prozent der Einnahmen aus den TV-Verträgen, die die dortigen Clubs kassieren, fließen in die Kasse der Arbeitnehmervertretung. Um sich diese derzeit 30 Millionen Euro weiterhin zu sichern, drohten die kickenden Genossen zu Beginn der Saison sogar mit einem Streik.

Auch die spanische Spielergewerkschaft AFE ist recht stark, sie sorgt zum Beispiel für die Lohnfortzahlung, wenn klamme Vereine mehrere Monate lang nichts überweisen, während Gewerkschaften im osteuropäischen Raum froh sind, wenn sie die monatlichen Fixkosten bezahlen können.

Spielergewerkschaften gibt es in Paraguay, Kamerun und auf Zypern, in Brasilien existieren sogar drei, in der Schweiz keine. Als die letzte dortige Interessenvertretung, die Profoot, im April des Jahres 1997 sich aufzulösen beschloss, waren gerade einmal drei Mitglieder anwesend, erinnert sich der ehemalige Gewerkschaftsführer Andy Egli, der im September als Trainer vom SV Waldhof Mannheim entlassen wurde.

In der hiesigen VdV ist immerhin mehr als die Hälfte aller 1 700 Profis organisiert, darunter Oliver Kahn. Die ehemaligen Dortmunder Spieler Matthias Sammer und Michael Zorc gehören ihr weiterhin an, obwohl sie längst leitende Angestellte in ihrem Klub sind, wohingegen Schalkes Trainer Frank Neubarth »anstandshalber« (Hüser) austrat.

Die Arbeit eines Fußballgewerkschafters lässt sich grob in zwei Kategorien einteilen. Da ist einmal die große Fußballpolitik. So arbeitet die Fifpro auf Anregung der Europäischen Kommission an einem Abkommen, in dem das Transferrecht und die Dopingbestimmungen für ganz Europa standardisiert werden. Die Basisarbeit der Fifpro-Verbände besteht dagegen darin, Profifußballer in finanziellen Fragen zu beraten. Um die Altersvorsorge kümmern sie sich nämlich nur unzureichend. Oder sie sind anfällig für »windige Anlageberater« (Hüser).

Die VdV hat recherchiert, dass die Hälfte der Spieler, die im Jahr 1985 im Bundesligakader von Eintracht Braunschweig standen, heute arbeitslos ist oder Sozialhilfe bezieht wie etwa Günter Breitzke, der 1989 mit Borussia Dortmund DFB-Pokalsieger wurde. Der populäre Ausspruch der exzentrischen britischen Fußballlegende George Best (»Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und Autos ausgegeben, den Rest habe ich verprasst«) trifft auch auf viele unbekannte Profis zu, aber im Gegensatz zu Best haben sie heute nicht die Chance, ihr Geld als TV-Kommentator oder Memoirenautor zu verdienen.

Solche Perspektiven fehlen auch den ehemaligen Bundesligaprofis Karsten Baumann (1. FC Köln, Borussia Dortmund) und André Breitenreiter (HSV, Unterhaching). Im Sommer waren sie noch arbeitslos, mittlerweile jedoch sind sie in der vierten Liga untergekommen - bei Fortuna Köln beziehungsweise beim Hannoveraner Klub SC Langenhagen. Spielt man nirgendwo mehr, sinkt nämlich der eigene Wert immer schneller, und deshalb wächst die Bereitschaft, auch Jobs anzunehmen, die man vor der Krise noch als unzumutbar bezeichnet hätte. Weil sich diese Einstellung langsam durchsetzt, ist die Zahl der hierzulande arbeitslosen Berufsfußballer seit dem Sommer von 200 auf nunmehr 60 gesunken.

Wer, wie Baumann und Breitenreiter, Ende 20, Anfang 30 ist - also nicht einmal im schlechtesten Fußballalter -, wer kein Spitzenspieler mehr ist oder es nie war, für den verschärft sich die Situation ab Januar des kommenden Jahres. Dann gilt, dass jeder Regionalligaverein sechs deutsche Spieler unter 24, wovon wiederum zwei unter 21 sein müssen, auf dem Spielbericht stehen haben muss. »Das ist arbeitsrechtlich bedenklich, da könnten soziale Probleme entstehen, zumal ja gerade viele ältere Spieler infolge der wirtschaftlichen Krise aus der ersten und zweiten Liga nach unten gewechselt sind«, sagt Hüser.

Die 120 Berliner Delegierten wollen nun unter anderem die Forderung nach Tarifverträgen im europäischen Fußball bekräftigen. »Dabei geht es gar nicht vorrangig ums Gehalt, sondern darum, dass Aus- und Fortbildungsvereinbarungen, Vorsorgeregelungen und die Arbeitsbedingungen vertraglich fixiert werden«, sagt Hüser.

Ein leidiges Thema sind zumindest in Deutschland die Vertragsstrafen, zuletzt musste Oliver Kahn 10 000 Euro Strafe zahlen, weil er an einem freien Tag eine Discothek besuchte, und ohnehin werden Bundesligafußballer, die ihre Freizeit in gastronomischen Einrichtungen verbringen, oft sanktioniert. Matthias Sammer verbot seinen Spielern sogar, einen Boxkampf zu besuchen. »Da sind wir in Deutschland Lichtjahre zurück, in Spanien oder England wäre so etwas undenkbar«, sagt Thomas Hüser. Desgleichen im US-Profisport, so der amerikanische Politologe und Sportsoziologe Andrei Markovits: »Die Spieler können in ihrer Freizeit machen, was sie wollen, solange es legal ist.«

Grundsätzlich sei die hiesige Rechtsprechung in Sachen Vertragsstrafen aber »arbeitnehmerfreundlicher geworden«, sagt Thomas Hüser, es gebe »einige Musterprozesse«, auf die sich Fußballer in solchen Fällen berufen könnten. Doch die Gefahr, im Klub und in der Öffentlichkeit als Querulant dazustehen, hat bisher noch keiner der willkürlich Bestraften auf sich nehmen wollen, nicht einmal Oliver Kahn. Da haben die Fußballgewerkschaften noch einiges zu tun.