Proteste gegen eine Olpipline

Pipeline mbH

In Ecuador soll mit Geld der deutschen WestLB eine Ölpipeline durch das Amazonasgebiet gebaut werden.

Die Proteste gegen das Projekt reißen nicht ab. Seit Monaten kämpfen Umweltorganisationen und betroffene Gemeinden gegen die Schwerölpipeline der Firma Oleoducto de Crudos Peados (OCP), die durch das ecuadorianische Amazonasgebiet führen soll. Mit einem Kredit in Höhe von 900 Millionen Dollar will sich die nordrhein-westfälische Landesbank WestLB an dem Projekt beteiligen, obwohl im September sogar Robert Goodland, ein ehemaliger Mitarbeiter der Weltbank, in einem Gutachten feststellte, dass die OCP eklatant gegen die Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank verstößt.

Bereits im April erwarb eine Gruppe von UmweltschützerInnen mit internationalen Spendengeldern ein Grundstück auf der Pipelinetrasse bei Guaramos in der Absicht, die geplante Route zu sperren. Vor kurzem musste sie allerdings feststellen, dass sich das Recht auf Privateigentum in besonderen Fällen, etwa wenn es den Interessen transnationaler Konzerne zuwiderläuft, recht einfach außer Kraft setzen lässt. Auf ihrem Grundstück im Mindo-Nambillo-Wald ist der Urwald zum Teil gerodet, und auch die ersten Türme und Rohrleitungen wurden bereits gebaut. Einem von den UmweltschützerInnen beauftragten Gutachter, der die Schäden einschätzen sollte, die mit der Pipeline entstehen, wurde Anfang Oktober der Zutritt zum Gelände von OCP-Mitarbeitern unter dem Hinweis auf »Sicherheitsauflagen« verweigert.

Am frühen Morgen des 12. November fuhren Guiseppe de Marzo, ein Mitglied der italienischen Grünen, und drei ecuadorianische Umweltschützer, darunter der Besitzer des Grundstücks, nach Guarumos. Sie wollten die Schäden auf dem Gelände besichtigen und mit Fotos dokumentieren. Verkleidet als Arbeiter der OCP, konnten sie sich zunächst frei bewegen, gegen Mittag allerdings wurden sie von der ecuadorianischen Nationalpolizei, die sich noch immer auf ihrem Grundstück befand, angehalten und festgenommen. Zwei der drei Ecuadorianer und Marzo wurden gegen Abend in Handschellen nach Quito gebracht. Gleichzeitig fand vor der Baustelleneinfahrt eine mehrstündige Blockade statt, an der 100 Studierende der Zentraluniversität Ecuadors und mehrere Umweltorganisationen teilnahmen.

Die ecuadorianischen Behörden bereiteten eilig die Abschiebung des Italieners vor; das Ticket der American Airlines bezahlte die OCP; die gesetzlich garantierten Rechtsmittel halfen wegen der Geschwindigkeit, mit der die Abschiebung vor sich ging, nicht mehr. Bereits am Abend des 13. November wurde Marzo mit Gewalt zum Flugzeug gebracht; nach Angaben der NGO Acción Ecológica wurde er noch am Flughafen misshandelt und dabei am Hals und am Fuß verletzt.

Marzo gehört einer Gruppe von italienischen Umweltschützern an, die vor allem gegen die Teilhabe der italienischen Erdölgesellschaft Agip an der Pipeline und gegen die Beteiligung italienischer Banken an der Finanzierung des Baus protestieren.

Die Pipeline ist das Projekt eines Konsortiums von Erdölunternehmen aus den USA, Kanada, Italien, Spanien und Argentinien. Der deutsche Mannesmann-Konzern verdient ebenfalls daran, er liefert neben Firmen aus Argentinien, Brasilien und Mexiko die Rohre für das Ölprojekt, das mitten durch ökologisch hoch sensible und erdbebengefährdete Regionen führen wird.

Der Ausbruch des Vulkans Reventador am 3. November beweist erneut das enorme Umweltrisiko. Die Pipeline wurde von Lava und Geröll auf einer Länge von 870 Metern in mehrere Stücke gerissen und zum Teil um 100 Meter verschoben. Kritiker weisen seit langem darauf hin, dass die Trasse an mehreren aktiven Vulkanen vorbei durch Erdbebengebiet führt.

In den betroffenen Regionen in Ecuador formiert sich deshalb ein teils heftiger Widerstand. Die BewohnerInnen Mindos beispielsweise haben sich zur Acción por la Vida (Aktion für das Leben) zusammengeschlossen. Eine vom OCP-Konsortium durchgeführte Umfrage ergab, dass über 78 Prozent der Mindoer gegen die Pipeline sind. »Wir sind wie die Mosquitos, die dem Monster permanent kleine Stiche versetzen«, sagt Cesar Fiallo, einer der Verhafteteten von Acción por la Vida. »Aber sicher ist auch, dass wir ohne die internationale Unterstützung längst untergegangen wären.«

Selbst manche Bauarbeiter der OCP solidarisieren sich mit den Umweltschützern. Darüberhinaus gibt es regelmäßige Streiks gegen die miserablen Löhne; die Arbeiter bekommen etwa fünf US Dollar pro Arbeitstag, der durchaus 13 Stunden lang sein kann.

Dennoch sollen die Bauarbeiten nach dem bisherigen Zeitplan bis zum Juli des kommenden Jahres abgeschlossen sein. Doch bislang existiert noch nicht einmal ein Plan für den Fall eines Austritts von Rohöl. Nach Angaben der ecuadorianischen Umwelt-NGO Acción Ecológica sind in der Vergangenheit aus einer alten Pipeline in Ecuador bereits 70 Millionen Liter Öl ausgelaufen.

»Alles hängt jetzt von der WestLB ab«, meint Heike Brietschke von der Fundación Ecológica. »Wenn diese den Geldhahn zudreht, dann haben wir eine realistische Chance, oder zumindest eine ganze Menge Zeit gewonnen.«

Es gibt zwei Hauptargumente, mit denen die WestLB bislang ihre Kreditzusage rechtfertigte. Das eine stützte sich auf ein von der Bank selbst in Auftrag gegebenes Gutachten, welches der OCP bescheinigte, die Weltbankstandards zu erfüllen, was insofern wenig erstaunt, als die beauftragte Firma Stone & Webster geschäftlich eng mit der Erdölindustrie verbunden ist. Dieses Argument ist mit dem neuen Gutachten von Goodland, der selbst maßgeblich an der Entwicklung dieser Standards beteiligt war, hinfällig geworden.

Der zweite Grund der WestLB für die Kreditvergabe lautet, dass Ecuador, eines der ärmsten Länder Lateinamerikas, dringend auf zusätzliche Einnahmen aus dem Ölgeschäft angewiesen sei. Sie geht dabei von zu erwartenden Exporteinnahmen von 2,2 Milliarden Dollar jährlich aus. Ob diese Summe realistisch ist, sei dahingestellt, andere Schätzungen belaufen sich auf etwa 400 Millionen pro Jahr.

Doch ganz gleich, wie hoch die Einnahmen sein werden, nur der geringste Teil davon wird dem verarmten Land tatsächlich zugute kommen. In Ecuador bleiben lediglich 20 Prozent. Der Rest der Gewinne geht an die Erdölgesellschaften.

Diese Vorzugsbedingungen für die Ölindustrie sind ein Resultat der wirtschaftlichen Krise eines Landes, das dringend auf Investitionen und US-Dollar angewiesen ist. Ecuador war der erste Staat, der vor zwei Jahren den US-Dollar als offizielles Zahlungsmittel einführte und seine eigene Währung aufgab. Anstatt aber wie erhofft die Wirtschaft zu beleben, Investitionen anzuziehen und die Inflation zu stoppen, verstärkte der völlige Verzicht auf jeden finanzpolitischen Spielraum die Krise noch und schwächte zudem den Export. Dennoch will die Regierung ihre Entscheidung nicht revidieren, sondern sie forciert den Ausbau der Erdölproduktion, um weitere Dollars ins Land zu locken.