Willys Enkel

Seit den Tagen Willy Brandts umgibt sich die deutsche Sozialdemokratie gerne mit Geistesgrößen. Mit mehr Demokratie und noch mehr Kulturförderung konnte Brandt eine ansehnliche Schar von Künstlern und Intellektuellen mobilisieren. Für das »rot-grüne Projekt« sprangen 1998 immerhin noch Oskar Negt und Klaus Meine in die Bresche. Für die Aufgaben von heute steht Roland Kaiser bereit.

Mit einem Festakt in der Geistschule in Münster-Geist - man beachte die diskrete Reverenz an die sozialdemokratische Tradition - überreichte der SPD-Generalsekretär Olaf Scholz in der letzten Woche das Parteibuch an Roland Keiler, wie das »Synonym für moderne deutsche Pop-Musik« (Eigenwerbung) mit bürgerlichem Namen heißt. Klaus Mertens vom SPD-Unterbezirk Münster erklärte, Kaiser habe eine langjährige Beziehung zur Partei. Dessen Pflegemutter habe Ende der fünfziger Jahre in Berlin beim damaligen Regierenden Bürgermeister Willy Brandt geputzt. So lieben wir die Sozis, die Putze und der Chef in derselben Partei für soziale Gerechtigkeit vereint. Auch Kaiser engagiert sich, so sang er im Mai dieses Jahres ohne Gage vor 2 500 Arbeitslosen in Castrop-Rauxel.

Oma wird es trösten, wenn ihr die nächste Erhöhung der Mehrwertsteuer von ihrem Darling schmackhaft gemacht wird. Und für aufmüpfige Jusos und wackere SPD-Linke hat Kaiser vor Jahren die programmatische Hymne verfasst: »Manchmal möchte ich schon mit dir / diesen unerlaubten Weg zu Ende gehen / Manchmal möcht' ich so gern mit dir / Hand in Hand ganz nah an einem Abgrund stehen.«