Ausstellung: Frauen in der Roten Armee

Alltag der Heldinnen

Von den Soldatinnen der Roten Armee während des Zweiten Weltkrieges erzählt eine Ausstellung im Deutsch-Russischen Museum.

Der Wehrmacht galt die feindliche Soldatin als »Flintenweib«, sie war die Bedrohung schlechthin. Kategorisch wurde ihr der Status der Kriegsgefangenen verweigert. Gemäß offiziellen Richtlinien hatte man Rotarmistinnen »im üblichen Verfahren« dem »nächsten Frauenkonzentrationslager« zu überstellen. Meist aber wurden sie exekutiert, nicht selten nach einer vorausgegangenen Vergewaltigung oder Verstümmelung.

Rund acht Prozent der sowjetischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg waren Frauen. Die Sowjetarmee brach als erste das Tabu, Frauen nicht nur im Sanitätsdienst, sondern auch an der Front einzusetzen. So kämpften etwa 300 000 bis 400 000 Frauen als Pilotinnen und Scharfschützinnen in gemischten Regimentern gegen den »Fritzen«. Etwa eine weitere halbe Million waren im Sanitäts- oder Funkdienst tätig.

Die Ausstellung »Mascha, Nina und Katjuscha. Frauen in der Roten Armee 1941-1945«, die das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst zeigt, unternimmt einen ersten Versuch, den Alltag weiblicher Soldaten zu rekonstruieren. Ihr Ziel ist es, der offiziellen, in Orden und Militärgraden abgebildeten Geschichte die Vielfalt subjektiver Erinnerungen von Rotarmistinnen zur Seite zu stellen. Feldpostkarten, zahlreiche Fotografien von der Front und die Interviews, die die Schriftstellerin Swetlana Alexejiwitsch in den achtziger Jahren mit rund 400 ehemaligen Soldatinnen führte, erzählen ebenso vom Stolz einer Scharfschützin, 309 Deutsche erledigt zu haben, wie vom Durchfall einer anderen, nachdem sie den ersten Soldaten erschossen hatte, vom plötzlichen Ergrauen der Haare wie von den Versuchen, trotzdem irgendwie »adrett« auszusehen.

Seit 1943 gab es spezielle Frauenunterkleidung und immerhin auch den einen oder anderen Gynäkologen. Die im Rahmen der Ausstellung gezeigten selbst gefertigten gynäkologischen Instrumente, grob aus Eisen und etwa vier Millimeter im Durchmesser, bezeugen ein eigenes Grauen. Der Mutterschutz wurde erst im Juli 1944 eingeführt: 42 Tage Urlaub nach der Geburt und 35 Tage davor.

Von einem weiteren Problem mit der Geschlechterdifferenz erzählt der Kampf gegen zudringliche Kameraden oder Vorgesetzte. »Es gab da noch einen Krieg, nämlich den zwischen mir und denen, das heißt zwischen mir und dem, der zu mir gekrochen kam. Das ist nicht sehr delikat, aber das ist die Wahrheit.« Praktisch bedeutete das, dass die Rotarmistin sich häufig dem klassischen Zuhälterprinzip beugen und in die Obhut am besten eines Offiziers begeben musste.

Nur ein Jahr nach dem Beginn des Krieges hatte sich das Gesetz, das intime Beziehungen verbot, als nicht durchsetzbar erwiesen und wurde inoffiziell aufgehoben. Zu Eheschließungen kam es selten, zu Schwangerschaften öfter, obwohl nach Statistiken, die noch während des Krieges erstellt wurden, 73 Prozent der Soldatinnen ihre Fruchtbarkeit verloren, vorwiegend wegen traumatischer Erlebnisse.

Ein Grund mehr für ihre nach dem Krieg stattfindende Diskriminierung auf dem zivilen Heiratsmarkt. »Sie riecht nach Parfüm, du aber nach Fußlappen und Stiefeln.« Diese beinahe zarte Begründung eines Soldaten für seine Wahl einer »normalen« Ehefrau, reflektiert den für Männer und Frauen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, gleichermaßen problematischen Verlust eines weiblichen Habitus.

»Ob wir an der Front den Männern ähneln wollten?«, fragt eine ehemalige Sanitäterin. »Anfänglich sehr: Wir ließen uns das Haar kurz scheren und versuchten sogar, unseren Gang zu ändern. Aber später - nichts mehr davon! Wir träumten von einem richtigen Make-up, hoben ein bisschen Zucker auf, um unsere Ponyfransen zu stärken und waren glücklich, wenn wir ein wenig Wasser für eine Haarwäsche ergatterten.«

Die späte Regelung von spezifisch weiblichen Problemen wie Schwangerschaften und Abtreibungen zeigt, dass die Massenmobilisierung von Frauen 1942 ein moralisches, sprich ordnungspolitisches Problem darstellte. Denn natürlich kollidierte die bewaffnete Frau mit dem traditionellen, auch von Stalin propagierten Frauenbild. Es definiert Mütterlichkeit als weibliche Tugend und sieht die Hauptaufgabe von Frauen in der Reproduktionsarbeit.

Die Soldatin, die tötet, im Dreck liegt und damit Zeugin wie Protagonistin einer ungeheuren Brutalität wird, bricht mit einer patriarchalen Ordnung, die dem Soldaten nach dem Kriegsende ein glückliches Heim mit unversehrten Frauen verspricht. Statt eine Gegenwelt zum Krieg zu repräsentieren, markiert die Soldatin seine Ausdehnung auf alle Bereiche.

Diese mit der Rekrutierung von Frauen verbundene, auch imaginäre Universalisierung des Krieges ließ sich moralisch nur mit der Notsituation seit dem Überfall der Deutschen legitimieren. Aber das Unbehagen, diese Ausnahme zu normalisieren, blieb groß. Entsprechend zögerlich stellte sich die militärische Ordnung auf die weiblichen Bedürfnisse ein.

Und nach dem Ende des Krieges entledigte sie sich ihrer unmittelbar. Noch 1945 wurden die Soldatinnen komplett demobilisiert. Eine berufliche Laufbahn ließ sich aus dem Kriegsdienst nicht basteln. Heute beläuft sich der Frauenanteil der russischen Armee auf etwa zwei bis drei Prozent.

In der Öffentlichkeit nahm man die Heldentaten der Frontkämpferinnen erst ein Jahrzehnt später wahr. Heute sind weibliche Veteranen mit blitzenden Ordenarsenalen auf den Jacketts ein fester Bestandteil des offiziellen Gedenkens an die Leistungen der Sowjetarmee. Im Jahr 1945 aber schwieg man über die Rolle der Frauen im Krieg.

Auch die wenigen überlebenden Frauen taten besser daran, ihre Vergangenheit so weit wie möglich für sich zu behalten. Denn aus der Sicht der Mehrheit taugte eine Frau, die mit Männern das Quartier geteilt und die getötet hatte, nicht mehr für ein ziviles (Ehe-) Leben. Nicht nur ehemalige Frontliebhaber, auch viele Familien verstießen die Heimkehrerinnen.

Das Schöne an der kleinen Ausstellung ist, dass es ihr gelingt, Parallelwelten aufzuzeigen und eine Vielfalt zu wahren. So sieht man selbstbewusste Fliegerinnen, die wie selbstverständlich neben ihren Kameraden ihren Job fürs Vaterland erledigen, und man kann die Dynamik und den Sexappeal von Menschen in Uniformen erleben. Wer mag, kann sich an der weiblichen Emanzipation erfreuen.

Aber gleich das nächste Briefdokument erzählt von der Furcht vieler Frauen, ihre Weiblichkeit und damit einen gesicherten Ort in der Zivilgesellschaft zu verlieren. Damit vermeidet die Ausstellung, ein einheitliches Frauenbild von der Soldatin an und für sich zu zeichnen. Vielmehr erzählen die Ausstellung und der sorgsam hergestellte Katalog in deutscher und in russischer Sprache eine »Geschichte von unten«, eine Chronik der Gefühle im Sinne Alexander Kluges, die sich nicht auf die eine große Geschichte zusammenschmelzen lässt.

Die Ausstellung »Mascha, Nina und Katjuscha. Frauen in der Roten Armee 1941-1945« ist bis zum 23. Februar im Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst zu sehen (dienstags bis sonntags, 10 bis 18 Uhr). Der Katalog zur Ausstellung ist im Ch. Links Verlag erschienen.