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Verpackt wie ein Weihnachtsgeschenk und fett wie ein Gänsebraten ist diese Ausgabe der Jungle World. Bis Sie sich durch die frische Disko-Suppe, das feurig-scharfe Thema-Entrée, das Hauptgericht aus würzigen Polit-Seiten und erlesenem Feuilleton und durch das betörende Dessert-Dossier gegessen haben, ist das Jahr schon um. Dann ein kleiner Verdauungsschlaf, und schon erscheint die nächste Jungle World, pünktlich am 8. Januar 2003.

Dabei waren die letzten Tage in der Bergmannstraße wenig erfreulich. Die Krise macht auch vor Weihnachten nicht Halt. Zwar konnten wir als strikte Atheisten dem Oh-Tannenbaum-Schnickschnack noch nie etwas abgewinnen, geschweige denn dem Aberglauben, der der ganzen Veranstaltung zu Grunde liegt. Das Fest der Ware aber, das Weihnachten stets war, weshalb es von romantischen Linken und altmodischen Pfaffen als »Konsumterror« gebrandmarkt wurde, ging schon in Ordnung.

Vor allem früher, als sich in den Redaktionsräumen Geschenke aller Art stapelten. Von unseren Geschäftspartnern bekamen wir allerlei Aufmerksamkeiten, die Kollegen grüßten vorzugsweise mit Sekt, Wein und Schnaps. Dieses Jahr aber sieht es hier so ärmlich aus wie weiland im Kuhstall von Bethlehem.

Von einem Geschäftspartner erhalten wir die Mitteilung, er habe wegen »der weltweit schlechten Situation der Kinder« auf das Versenden von Präsenten verzichtet und stattdessen an eine mysteriöse Stiftung Dr. Kuno Fuß gespendet. Wir sollen das auch tun. Ein Beleg dafür, dass es trotz allem noch Menschlichkeit gibt? Oder die perfide Idee, mit einem erfundenen Doktortitel die Krise zu meistern? Wir werden der Sache nachgehen.

Auch auf unserer traditionellen Weihnachtsparty macht sich die allgemeine und branchenspezifische Krise bemerkbar. Wo früher ein Buffet mit fremdländischen und einheimischen Leckereien liebevoll hergerichtet war, liegen Toastbrot und Gouda, dazu gibt's Dosenbier. Wenigstens sind hinterher alle so betrunken wie eh und je. Vielleicht wird ja im nächsten Jahr alles besser.