Sympathische Schiedsrichter II

Nur kein Mitleid

Schiedsrichter können es anscheinend niemals jemandem recht machen. Das musste jedenfalls der Belgier Marc Gevaerts feststellen, der kurz vor dem Ende der Fußballpartie zwischen dem FC Wijtschate gegen VV Vladslo von ungeheurem Mitleid für das unterlegene Team übermannt wurde und das Spiel daraufhin einfach vorzeitig abpfiff.

Der FC Wijtschate aus der achtklassigen westflandrischen Amateurliga 4e Proviniciale A war zu diesem Zeitpunkt bereits in ganz Belgien berühmt. Mit 15 verlorenen Spielen und 132 Gegentoren galt der Club schon seit Anfang November als schlechtester Verein des Landes, entsprechend viele Witze wurden über die Kicker aus der Provinz Heuvelland gemacht.

Im Spiel gegen den VV Vladslo wurde rasch klar, dass die Spieler ihrem Image wieder einmal gerecht werden würden. Als sie mit 0:16 zurücklagen, taten sie dem Referee Marc Gevaerts so leid, dass er einfach abpfiff. Der Tageszeitung Het laatste Nieuws erklärte der Schiedsrichter ausführlich, wie es zum vorzeitigen Schluss kam: »Nach knapp einer Stunde, es stand wohl so ungefähr 11:0, kamen einige der Wijtschate-Kicker zu mir und baten mich, das Spiel doch einfach zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt war das wohl eher noch ein Scherz. Aber nach dem 16:0 wurden die Wijtschater langsam ernsthaft gefrustet, und das merkte man auch. Sie fingen zum Beispiel völlig grundlos an, ihre haushoch überlegenen Gegenspieler zu foulen, und verhielten sich auch sonst ziemlich unfair. Da taten sie mir dann wirklich leid.«

Er habe nur vermeiden wollen, »einen der Jungs des Feldes zu verweisen«, daher habe er einfach abgepfiffen. Zwar ungefähr fünf Minuten zu früh, aber eine Ergebniskorrektur durch Wijtschate sei zu diesem Zeitpunkt nach menschlichem Ermessen absolut ausgeschlossen gewesen.

Während sich der VV Vladslo nicht über den Schlusspfiff beschwerte und die Entscheidung sowie den finalen Spielstand völlig in Ordnung fand, erhielt Marc Gevaerts ausgerechnet von den Unterlegenen Kritik. Ein Vereinssprecher der Wijtschater erklärte, so gehe es ja wohl nicht, man werde beim belgischen Fußballverband offiziell Beschwerde gegen den Schiedrichter einlegen und auf eine harte Strafe, möglicherweise sogar eine Suspendierung des Mannes in Schwarz drängen.

Die Begründung der Clubleitung für ihr Vorgehen war dabei nicht ganz nachvollziehbar. Man sei halt nur ein kleiner Verein, sagte der Sprecher und fügte hinzu: »Alle unsere Spieler sind hart arbeitende Bauern, die einfach keine Zeit haben, mehrmals in der Woche zum Training zu kommen. Der Verein hat keine Sponsoren und daher auch kein Geld, bessere Spieler zu verpflichten. Aber das gibt dem Schiedsrichter noch lange nicht das Recht, unser Spiel einfach vor der Zeit zu beenden.«

Der belgische Verband äußerte sich noch nicht zum Wijtschater Vorstoß. Und auch Gevaerts ist sich keiner Schuld bewusst. Eine Dezimierung des ohnehin schon kleinen Vereinskaders durch Platzverweise wäre ja sicherlich auch nicht im Sinne des Clubs gewesen, sagte er.