Eine Träne von Franka

Proteste gegen lange Kinowerbung

Das Berliner Publikum der Multiplexkinos probte zwischen den Jahren den Aufstand. In verschiedenen Lichtspielhäusern großer Kinoketten spielten sich Szenen der Entrüstung im Zuschauerraum ab. Lautstarke Kommentare, Buhrufe und Beschwerden bei den Kinoketten, Konsumverweigerung. In einem Großraumkino traten die Zuschauer in den Hungerstreik und riefen: »Wir wollen kein Eis kaufen, wir wollen den Film sehen!« Wurde erwogen, mit Popcorn zu werfen und Protestslogans mit Nachosoße an die Wände zu schreiben? Drohten Stehstreiks? Fest steht: Mit dem Kinopublikum war nicht zu spaßen.

Auslöser der neuen Bewegung aus den Kinosesseln war die Dauer der Werbespots vor Filmen wie »Die Another Day«. Dass ein 45minütiger Werbeblock mühelos von den Unterbrechungen eines beliebigen Samstagabendfilms bei den privaten Fernsehsendern übertroffen wird, beruhigte die aufgeregten Filmfreunde nicht. Nein, die Berliner Kinogänger wollten nicht die verschiedenen Figürchen aus Überraschungseiern oder die neuesten Playstation-Spiele kennen lernen. Sie wollten die Show!

In China ist man im Kampf gegen die Werbung schon um einige Eskalationsstufen weiter. Ein Anwalt verklagte dort kürzlich sowohl das Kino, als auch den Filmverleih wegen eines vierminütigen Werbeblocks vor dem Film »Hero«. Er verlangte sein Eintrittsgeld zurück sowie eine Entschädigung für die verschenkten Minuten.

Hierzulande reagierten die Kinobetreiber gleich auf die Protestbewegung und kündigten an, die Werbeblöcke wieder auf 20 Minuten plus Filmtrailer zu beschränken. Nach dem Ende des Weihnachtsgeschäfts folgt die Rückkehr zur Normalität, die die Gemüter beruhigen dürfte.

Eng wird es jetzt allerdings für Werbespots, die an die karitative Ader des Publikums appellieren. Franka Potente, die sich in der Weihnachtszeit in so ziemlich jedem Werbeblock »für die Menschenrechte stark« machte, könnte das erste Opfer sein. Die Verkürzung der Werbeblöcke soll nach den Ankündigungen verschiedener Kinoketten zu Lasten unlukrativer »Sozialspots« von amnesty international, Greenpeace oder Terre des Hommes gehen. Ob die Berliner Protestavantgarde das gewollt hat?

Zumindest während einer Mitternachtspremiere von »Die zwei Türme« war alles ganz anders. Anstelle des erwarteten Werbeblocks tobten eine halbe Minute lang lebensechte Fantasyfreaks in trotteligen Rüstungen durch die Reihen und hauten sich Schwertattrappen um die spitzen Ohren. Anschließend wurde es schlagartig dunkel und ohne jegliche Werbung begann der Hauptfilm. Fluchend quetschten sich diejenigen Cineasten in die Reihen, die noch in aller Seelenruhe die Werbeblöcke bei 1,5 Liter Cola und Weingummiwürsten im Foyer verbringen wollten.

Die hektische Rückkehr der Performance-Gruppe, die natürlich die besten Sitzplätze im Mittelteil reserviert hatte, löste eine unfreiwillige Ola aus. Den ersten Filmminuten konnte niemand folgen. Dann doch lieber eine Träne von Franka und alle Zeit der Welt, um an der Theke den Werbeblock zu genießen.

arne norden