LeserInnenworld

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Jungle World, 1-2/03: »Endloses sterben«

Zu arrogant

Der Artikel suggeriert: Der gerechte, demokratische, gutmütige Staat wollte das Problem ja lösen. Aber die sturen, brutalen, irrationalen Gefangenen haben es auf die Spitze getrieben. Dann blieb dem Staat nichts anderes übrig, als die Gefängnisse zu stürmen.

Leute, wisst ihr eigentlich was damit verniedlicht wird? Ein Massaker an 28 unbewaffneten Gefangenen. Nach dem Massaker gestand der damalige Innenminister: »Wir bereiten uns nun seit einem Jahr auf diese Operation vor.« Zu der Zeit sprach man von einem Todesfasten noch nicht einmal, geschweige denn, dass es begonnen hätte. Wie kann Yücel außerdem von einer Niederlage des Todesfastenwiderstandes sprechen? Viele der Ex-Gefangenen, die zwangsernährt und entlassen wurden, waren teilweise lebenslänglich verurteilt. Natürlich gibt es bleibende Schäden. Aber die Gefangenen versuchen zumindest, wieder am sozialen und revolutionären Leben teilzunehmen. Zu behaupten, die DHKP-C und andere revolutionäre Organisationen wollen, dass die Menschen sterben, das geht zu weit. Glaubt Ihr, die Gefangenen sind IdiotInnen? Ich bin mit einem verheiratet. Und: Können Sie einen Beleg dafür nennen, dass die DHKP-C sich mit dem radikalen Islam verbündet hat?

nermin

Jungle World, 3/03: »Die Grenzen der Offenheit«

Die Grenzen des Erträglichen

Bisweilen scheint ihr einer gewissen Panik zu unterliegen, was die Anschlussfähigkeit an die »Antiglobalisierungs- und Friedensbewegung« angeht. Wie anders ist zu erklären, dass ihr einen Text von Attac als Dokumentation abdruckt. Aufhänger ist dabei sein vordergründig kritischer Impetus bezüglich der berechtigten Kritik an antisemitischen Tendenzen in Attac. Getreu dem Motto »Wir haben verstanden« erscheint unter Kapitel V eine Kurzversion der Analyse eines verkürzten Antikapitalismus, wie sie für Attac jedoch nur »seitens der Nazis« existiert. Für Attac ist die Verteufelung der Unterscheidung von »raffendem und schaffendem Kapital« zum antizipierten Standardrepertoire geworden. Wie bei vielen Linken ist aber auch hier diese Verteufelung am Ende nur eine Selbstimmunisierung: »Wir sind nicht antisemitisch. Punktum!«

Jedoch ist, wie Attac meint, für die Frage nach antisemitischen Ressentiments in der Kritik an den Finanzmärkten nicht die »Form und Perspektive« entscheidend, sondern das Objekt selbst. Das »internationale Finanzkapital« bleibt das Feindbild. Wer den Begriff des strukturellen Antisemitismus auf das Übel der Personifizierung reduziert, der kann weiterhin die »demokratische Kontrolle der Finanzmärkte« fordern.

norbert kresse

Jungle World, 1-2/03: »Pop und Politik«

Kein erfreulicher Zustand

Der Artikel ist symptomatisch für das von Ignoranz und Mangel an Interesse geprägte Verhältnis der deutschen Linken zur Kultur. Die Jungle World ist in keinem erfreulicheren Zustand als andere linke Publikationen. Das Layout, das an eine Schülerzeitung erinnert, verbietet den Kauf der Printausgabe. Es ist erfreulich, dass wenigstens beim Nahoststandpunkt nicht eine wie sonst in der Linken übliche vulgärantiimperialistische Meinung dominiert.

mumu