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Alles wieder offen

Israel. Noch vor wenigen Wochen schien ein Sieg der israelischen Rechten in den Wahlen Ende Januar sicher. Doch Korruptionsskandale, so Reuven Hazan von der Universität Jerusalem, führten zu »einem dramatischen Rückgang der Unterstützung für den Likud um mindestens 25 Prozent«. Der Partei werden unter anderem Stimmenkauf bei der Kandidatennominierung und Verbindungen zur organisierten Kriminalität vorgeworfen, Premierminister Ariel Sharon soll in ein illegales Kreditgeschäft verwickelt sein.

Die Tageszeitung Ha’aretz veröffenlichte am Dienstag der vergangenen Woche Dokumente des Justizministeriums und berichtete: »Der Staatsanwalt hat deutlich gemacht, dass Sharon der Annahme von Bestechungsgeldern, des Betrugs und des Vertrauensbruchs verdächtigt wird.« Als der Premierminister seine Verteidigungsrede im israelischen Fernsehen mit scharfen Angriffen auf seine politischen Gegner verband, wurde die Übertragung auf richterliche Anweisung wegen eines Verstoßes gegen das Wahlkampfreglement unterbrochen.

Dass die Arbeitspartei gemeinsam mit säkular-liberalen, linken und arabisch-israelischen Parteien die Mehrheit gewinnt, gilt nun nicht mehr als ausgeschlossen. Auch zum angedrohten Wahlboykott der arabischen Israelis, die überwiegend linke Parteien wählen, dürfte es nicht mehr kommen, nachdem das Oberste Gericht am Freitag der vergangenen Woche den Ausschluss der arabischen Knesset-Abgeordneten Ahmed Tibi und Azmi Bishara sowie der Balad-Partei von den Wahlen aufhob. Das Wahlkomitee hatte ihnen die Kandidatur mit der Begründung untersagt, sie hätten durch die Zurückweisung des jüdischen Charakters Israels den Boden der Legalität verlassen.

Darf’s ein Bömbchen mehr sein?

Indien/Pakistan. Den Anfang machte der pakistanische Präsident Pervez Musharraf Ende Dezember mit der Bemerkung, im Falle eines Angriffs habe Indien einen »nicht konventionellen Krieg« zu erwarten. Dass er im Nachhinein nicht über den Einsatz von Atomwaffen, sondern von zivilen Freiwilligen gesprochen haben will, hinderte den indischen Verteidigungsminister George Fernandes nicht daran, über die nukleare Absorptionsfähigkeit seines Landes zu philosophieren. »Wir können ein oder zwei Bomben mehr vertragen«, erläuterte Fernandes am Dienstag der vergangenen Woche, »aber wenn wir antworten, wird es kein Pakistan mehr geben.« Tags darauf konterte der pakistanische Informationsminister Sheikh Rashid Ahmed mit dem Versprechen, Indien im Falle eines Atomkriegs eine »unvergessliche Lektion« zu erteilen.

Die wüsten Drohungen werden von militärischen Maßnahmen begleitet. Indien unterstellte seine Nuklearwaffen Anfang Januar einer eigenständigen Kommandostruktur und führte einen weiteren Raketentest durch, Pakistan übergab seine Mittelstreckenraketen offiziell dem Strategic Force Command der Armee. Beide Regierungen nutzen die außenpolitischen Spannungen zum innenpolitischen Machterhalt. Und die gleichermaßen bornierten Nationalisten beider Staaten betrachten die Atombombe ganz im Sinne des seligen Konrad Adenauer als »Weiterentwicklung der Artillerie«, nach deren Einsatz man nur gründlich fegen muss.

Neuer Streik, neue Drohungen

Venezuela. Die Opposition gegen den linkspopulistischen Präsidenten Hugo Chávez organisierte am vergangenen Donnerstag und Freitag einen zweitägigen Bankenstreik. Nach Angaben der BBC blieben viele Zweigstellen offen, während die Bankgewerkschaft Fetrabanca erklärte, 80 Prozent der Bankangestellten hätten sich am Streik beteiligt.

Chávez drohte indessen am Freitag mit dem Einsatz der Armee zur Beschlagnahme von Lebensmitteln. Der Nachrichtenagentur AFP zufolge erklärte er, da die Ölindustrie bestreikt werde, müsse Venezuela Öl zum Marktpreis einkaufen und billig an die Bevölkerung abgeben. Nach Angaben von Le Monde plant die Regierung die Auflösung der zentralen Verwaltung der staatlichen Ölgesellschaft PVDSA in Caracas mit ungefähr 7 000 Angestellten und die Teilung des Unternehmens in zwei Gesellschaften auf regionaler Basis. Am Freitag kündigte Chávez die Entlassung von 700 Arbeitern des Ölkonzens an; schätzungsweise 30 000 der 40 000 Angestellten und Arbeiter sollen sich nach Angaben von BBC und AP dem Ausstand angeschlossen haben. Doch Le Monde zufolge hat die Regierung die »physische Kontrolle über die Bohrlöcher, Raffinerien und Exportterminals sicherlich wieder erlangt«.

Die Absicht der Opposition, am 2. Februar ein Referendum für den »unverzüglichen und freiwilligen Rücktritt des Präsidenten der Republik« durchzuführen, trifft auf weitere Schwierigkeiten, die Finanzierung ist nicht gesichert.

Halb verbranntes Kopftuch

Iran. Zum 7. Januar, dem so genannten Tag der Befreiung der Frau, rief die Organisation Student Movement Coordination Committee for Democracy in Iran Frauen und Männer dazu auf, »ein halb verbranntes Kopftuch als Zeichen des Protests gegen die Zwangsverschleierung mitzunehmen und es auf einer belebten Straße oder einem belebten Platz fallen zu lassen«. Nach Angaben des SMCCDI kam es in verschiedenen Städten zu Kundgebungen mit einigen Tausend Beteiligten, zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei und paramilitärischen Einheiten und zu Festnahmen zahlreicher Demonstranten.

Am 7. Januar 1936 hatte sich der damalige Herrscher, Schah Reza Pahlevi, dessen Sohn 1979 von einer Massenbewegung gestürzt wurde, während eines öffentlichen Auftritts mit seiner unverschleierten Frau für eine Stärkung der Position der Frau in der Gesellschaft ausgesprochen.