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Thüringische Tradition

Verfassungsschutz. Zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung ist Thüringen nicht nur wegen seiner Bratwürste in der ganzen Republik bekannt, sondern auch wegen seiner umtriebigen Verfassungsschützer. »Wer sich für eine verfassungsfeindliche Organisation einsetzt, muss damit rechnen, dass dieser Vorgang vom Verfassungsschutz registriert wird.« So einfach erklärt der thüringische Innenstaatssekretär Manfred Scherer (CDU) die Tatsache, dass der Verfassungsschutz des Bundeslandes seit 1999 mehrere Mitglieder der Landtagsfraktion der PDS beobachtet. Über deren Vorsitzenden, Bodo Ramelow, seine Stellvertreterin Karin Kaschuba und den Abgeordneten Steffen Dittes sollen Dossiers beim thüringischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) angelegt worden sein. Bekannt wurde das in der vergangenen Woche, nachdem die Abgeordneten der PDS im Landtag Einsicht in ihre Akten beantragt hatten. Sie wurde ihnen zwar verweigert, Ramelow und Kaschuba erhielten jedoch Auszüge der über sie gespeicherten Informationen.

Der Skandal ist nicht der erste des thüringischen Verfassungsschutzes. Bereits 1996 wurde eine Bürgerinitiative gegen überhöhte Kommunalgebühren überwacht, 1997 verschwanden beim Umzug des Innenministeriums Computerfestplatten, die Informationen, die darauf gespeichert waren, wurden später öffentlich bekannt. Zwischen 1995 und 1998 stand zudem der Neonazi Thomas Dienel auf der Gehaltsliste des LfV und erhielt für seine Mitarbeit 25 000 Mark. Wer weiß angesichts solcher Zustände, in welche Hände die Informationen über die Abgeordneten der PDS gelangt sind?

Lauschangriffe ausgeforscht

Telefonüberwachung. In der deutschen Misstrauenskultur ist das Belauschen sowohl geächtet als auch heimliches Glück: Wer spitzt nicht die Ohren, wenn in der Nachbarwohnung die Fetzen fliegen? Wer horcht nicht am Zweittelefon, wenn Eltern aus Westdeutschland in der WG anrufen? Doch immer hört der Lauscher an der Wand auch die eigene Schand, sagt ein Sprichwort. Ganz ähnlich ist es, wenn der Staat lauscht.

Nach einer jüngst veröffentlichten Studie sind nur ein Viertel aller telefonischen Abhörmaßnahmen rechtmäßig, berichtete das ARD-Magazin »Kontraste« in der vergangenen Woche. Die beiden Verfasser, die Bielefelder Juraprofessoren Otto Backes und Christoph Gusy, kamen zu dem Ergebnis, dass bei der Mehrzahl der Anordnungen zur Telefonüberwachung die gesetzlichen Bedingungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Richter unterschrieben zum Teil ohne Prüfung die von Staatsanwälten formulierten Anordnungsbeschlüsse. Der Informationspflicht gegenüber den Betroffenen nach einer Abhörmaßnahme werde nur in drei Prozent der Fälle nachgekommen.

Das verwundert nicht weiter, würde doch eine Benachrichtigung der Betroffenen die Wiederaufnahme der Überwachung wesentlich erschweren. Denn erstens können die Überwachten rechtlichen Widerspruch gegen die Maßnahme einlegen. Und zweitens wird künftig am Telefon nichts Spannendes mehr erzählt.

Feindliches Lager I

Jürgen Möllemann. Da ist er wieder. Kaum ist er von seinem Herzleiden genesen, hat man keinen Tag Ruhe mehr vor Jürgen W. Möllemann. Immerhin, seine Partei auch nicht. »Klartext« will er reden, drohte er in einer Presseerklärung, zum Beispiel über die FDP-Ehrenvorsitzenden Otto Graf Lambsdorff und Hans-Dietrich Genscher. Und das gleich im Buchformat. Noch in diesem Monat soll die Streitschrift erscheinen.

Der Parteivorsitzende Guido Westerwelle bekam schon in der vorigen Woche sein Fett ab. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte Möllemann, Westerwelle habe den Inhalt des »israelkritischen« Flugblattes, dessen Einsatz im Wahlkampf und dubiose Finanzierung ihn seine Parteiämter kostete, vorher gekannt und stets »gejubelt wie ein Schneekönig«, wenn er seine Meinungen vorgetragen habe.

Der ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende ist bitterlich enttäuscht darüber, wie ihn die ehemaligen Parteifreunde behandeln. »Jeder Mörder und Kinderschänder wird von der FDP bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung besser behandelt«, jammerte er in Bild am Sonntag. Der Populist will sich im Falle seines Parteiausschlusses zukünftig gegen die Liberalen wenden. Doch es wurden schon Zweifel laut, dass sich die notwendigen zwei Drittel der FDP-Bundestagsfraktion gegen ihn aussprechen werden. Besser als Möllemanns Chance, Parteimitglied zu bleiben, ist aber die, am kommenden Freitag als Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft wiedergewählt zu werden.

Feindliches Lager II

Horst Mahler. Seine ganz und gar nicht klammheimliche Freude über die Terroranschläge auf das World Trade Center bringt den Rechtsextremisten Horst Mahler dieser Tage vors Gericht. »Endlich mal! Endlich sind sie mal im Herzen getroffen!« Mahler hatte in einer »Panorama«-Sendung seinen Emotionen freien Lauf gelassen. Die Anschläge, so Mahler damals weiter, würden »sie« – gemeint sind wohl jeweils die USA – »wahrscheinlich auch zum Nachdenken bringen«.

Das Hamburger Amtsgericht beschäftigt sich nun damit, ob Mahlers Äußerungen als »Billigung von Straftaten« verurteilt werden können. Nach dem 11. September 2001 unternahm Mahler einiges, um sich nach dem absehbaren Ende seiner NPD-Karriere für einen Job bei al-Qaida zu empfehlen. In der im Internet veröffentlichten Erklärung »Independence Day live« formulierte Mahler die intellektuelle Grundlage dafür. Dort heißt es: »Die militärischen Angriffe auf die Symbole der mammonistischen Weltherrschaft sind (…) eminent wirksam und deshalb rechtens.«

Indes vergaß Mahler nicht, der Opfer des 11. September auf seine Weise zu gedenken: »In unserem Mitgefühl für die Toten von Manhattan und ihre Angehörigen schwingt der fortwährende Schmerz und die Trauer der Deutschen über die Opfer des anglo-amerikanischen Bombenterrors gegen die deutschen Großstädte. Die Bilder des Grauens wecken Erinnerungen an das Inferno von Dresden und Hiroshima.«