Außer Konkurrenz

Bei der derzeitigen Verhandlungsrunde der WTO weigern sich die westlichen Staaten, ihre für die Produzenten in Entwicklungsländern ruinösen Agrarsubventionen abzubauen. von marita wiggerthale

US-Präsident George W. Bush pries in seiner Grußbotschaft einmal mehr den Segen des Handels und der Märkte, sein Handelsbeauftragter Robert Zoellick mahnte: »Wenn Sie sich nicht um ihre Bevölkerung kümmern, können Sie keine gute Wirtschaft haben.« Doch die 300 afrikanischen Delegierten, die in der vergangenen Woche in Mauritius mit Vertretern der US-Regierung über Wirtschaftsreformen verhandelten, waren nicht davon überzeugt, dass eine gute Regierungsführung und die Befolgung kapitalistischer Spielregeln allein zum Wohlstand führen.

Zumal nicht für alle Teilnehmer am Weltmarkt die gleichen Regeln gelten. Denn die westlichen Staaten propagieren zwar den Freihandel, behalten sich aber selbst Privilegien vor. So subventionieren die OECD-Staaten ihre einheimische Landwirtschaft täglich mit einer Milliarde Dollar und verschaffen damit ihren Agrarprodukten einen Wettbewerbsvorteil.

»Der afrikanische Produzent«, so konterte Vijay Makhan, der Wirtschaftsbeauftragte der Afrikanischen Union die Mahnungen Zoellicks, »leidet extrem infolge der Subventionen, die den Bauern in Amerika gegeben werden.« Für viele Entwicklungsländer ist die Agrarproduktion nach wie vor ein bedeutender wirtschaftlicher Sektor, so beläuft sich der Anteil der Agrarexporte an den Gesamtexporten z.B. der AKP-Länder, die der EU durch ein Handelsabkommen verbunden sind, auf 36 Prozent.

Die Subventionen beeinflussen auch die Wirtschafts- und Sozialstruktur. Westliche Handelsunternehmen können den Preis der aus einheimischer Produktion stammenden Grundnahrungsmittel auf den lokalen Märkten unterbieten und zerstören die Einkommensgrundlage der Kleinbauern. Mangels Sicherheitsnetzen und Einkommensalternativen müssen viele in die Städte abwandern, wo sie zumeist keine Arbeit finden.

Die EU und die USA versuchen, in Verhandlungen mit einzelnen Staaten und Staatengruppen, ihre Vorstellungen des Freihandels durchzusetzen. Der wichtigste Rahmen für die Liberalisierung der Märkte ist jedoch die Welthandelsorganisation WTO. Vertreter der EU und anderer Industrieländer werden zwar nicht müde zu betonen, dass die derzeitige Verhandlungsrunde eine Entwicklungsrunde sei. Zu Zugeständnissen sind sie aber nicht bereit.

Das Agrarabkommen der WTO kam im Jahr 1995 nur durch eine Übereinkunft zwischen der EU und den USA im Agrarbereich zustande. Der Preis waren weitgehende Ausnahmeregelungen für die Länder, die ihre Landwirtschaft hoch subventionieren. Die Subventionen im Norden stiegen weiter, während die Entwicklungsländer gezwungen waren, ihre Märkte für Agrarprodukte aus dem Norden weiter zu öffnen. Das unausgewogene Abkommen wurde von ihnen nur widerwillig akzeptiert, und die Ende des Jahres 1999 begonnene Millenniumsrunde, die neue Verhandlungsrunde in der WTO, scheiterte an ihrem Widerstand.

Um diesem Widerstand wenigstens rhetorisch etwas entgegenzusetzen, wurde zwei Jahre später während der Ministerkonferenz in Doha die Parole von der »Entwicklungsrunde« ausgegeben. Die Belange von Entwicklungsländern sollten im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen. Das bedeute für den Bereich der Landwirtschaft unter anderem eine substanzielle Reduzierung der Agrar- und das Ende der Exportsubventionen.

Doch all das gibt es nicht umsonst, die Entwicklungsländer sollen Verhandlungen innerhalb der WTO über Investitionen, Wettbewerb, das öffentliche Beschaffungswesen und Handelserleichterungen zustimmen.

Bis zum März 2003 sollen nun die Grundlagen des Agrarabkommens formuliert sein. Informelle Gespräche des Landwirtschaftskomitees der WTO fanden im Juni und im September 2002 zu den Bereichen Exportsubventionen, interne Stützung und Marktzugang statt. Sie bilden gleichzeitig die drei Pfeiler des Agrarabkommens. Mit der Farm Bill erhöhten die USA seit dem Oktober ihre Agrarsubventionen um 45 Milliarden Dollar für die nächsten fünf Jahre, der EU-Handelskommissar Pascal Lamy erklärte, die Möglichkeit für weitere Agrarreformen in der EU bestehe erst im Jahre 2013. Die Verhandlungsvorschläge der Entwicklungsländer wurden von Lamy als »nicht ernst zu nehmen« abgekanzelt und von den USA ignoriert.

Da die Positionen also nach wie vor weit auseinander lagen, wurde auf die intransparenten und undemokratischen informellen Kontakte des »Clubs der Auserlesenen« zurückgegriffen. 25 WTO-Mitglieder trafen sich Mitte November in Sydney.

Der Verhandlungsvorschlag der EU vom 16. Dezember 2002 machte dann klar, dass keine Zugeständnisse zu erwarten sind. Der von ihr verkündete »radikal verbesserte Deal« entpuppt sich als Mogelpackung mit geringen Verbesserungen für die Entwicklungsländer. Es werden scheinbar großzügige Reduktionen zugestanden, bei den handelsverzerrenden Subventionen um 55 Prozent, bei den Exportsubventionen um 45 Prozent. Da die Berechnung aber nicht auf aktuellen Zahlen beruht, führen sie im Ergebnis zu keiner realen Senkung.

Zudem werden mehr als zwei Drittel der ungerechten Subventionen gar nicht angetastet. Also verfährt die EU ebenso wie die USA weiter nach dem Prinzip: »Wir subventionieren, und ihr liberalisiert.« Trotzdem sollen die Entwicklungsländer ihre Zölle auf Industrieprodukte noch weiter reduzieren und ihre Märkte für Dienstleistungen weiter liberalisieren.

Am 18. Dezember 2002 legte Stuart Harbinson, der Vorsitzende des Landwirtschaftskomitees der WTO, ein erstes Übersichtspapier vor. Zwar werden im Anhang die bisher vorgelegten Verhandlungspositionen ausführlich beschrieben, aber die Zusammenfassung macht deutlich, dass die Entwicklung entgegen allen Bekenntnissen nicht im Mittelpunkt steht. Als »Nicht-Handelsangelegenheiten« bezeichnete Probleme wie Armutsbekämpfung und Umweltschutz werden als nebensächliche Streitpunkte abgetan.

Der Bericht stellt fest, dass die Positionen nach wie vor weit auseinander liegen, und fordert deshalb »Flexibilität auf allen Seiten«, um den knappen Zeitplan einhalten zu können. Bereits im Februar soll ein erster Entwurf vorliegen und diskutiert werden, dann bleibt ein Monat bis zur Verabschiedung des Verhandlungsergebnisses. Dass ein Abkommen fristgerecht zustande kommt, ist höchst unwahrscheinlich. Der Verhandlungsdruck aber wird steigen, und wenn alles schiefgeht, dürfte die Ministerkonferenz in Cancun im September dieses Jahres versuchen, den gewünschten Konsens zu erzwingen.