Ein Schwabe für alle

Die Kontrollen sind scharf, das Sicherheitsaufgebot ist immens. Böse gemeint ist das nicht, das Weltwirtschaftsforum in Davos will den offenen Dialog.

Das wird Stunk geben«, prophezeite die Boulevardzeitung SonntagsBlick bereits vor einigen Wochen. Und tatsächlich stehen die Zeichen auf Sturm, wenn das Weltwirtschaftsforum nach dem Abstecher nach New York im vergangenen Jahr wieder ins Schweizerische Davos zurückkehrt. »Vertrauen schaffen«, lautet das Motto der 33. Jahresversammlung des WEF, die vom 23. bis zum 28. Januar stattfinden wird.

Der schon in den neunziger Jahren beschworene »Geist von Davos« soll zu neuem Leben erweckt werden. Bescheidener und offener soll das Forum ausfallen. Doch die Mission von Klaus Schwab, dem Gründer und Präsidenten des Forums, ist die gleiche geblieben, es geht um nicht weniger, als den Zustand der Welt zu verbessern. Angesichts der angespannten Weltlage sei ein Forum für Gespräche zwischen Entscheidungsträgern der Politik, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft notwendiger denn je, davon ist der selbstgefällige Wirtschaftsprofessor überzeugt.

Schwab, dem Ambitionen auf den Friedensnobelpreis nachsagt werden, hat kürzlich einen »Rat der 100 Leader« ins Leben gerufen. Während die neue Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey ein Treffen mit dem US-Außenminister Colin Powell anstrebt, um »den Irak zu thematisieren«, hofft Schwab, auch eine Delegation aus Nordkorea beim Forum begrüßen zu können.

Die starken Proteste gegen die Veranstaltung in den vergangenen Jahren haben Spuren hinterlassen. Schwab lässt keine Gelegenheit aus, um zu betonen, dass die Globalisierungskritiker bei ihm offene Türen einrennen. »Manchmal wünsche ich mir, wir hießen Weltsozialwirtschaftsforum. Das würde mehr reflektieren, was wir wirklich sind.« Niemand soll das Forum noch als elitären und exklusiven Debattierklub beschimpfen können.

In der Vergangenheit waren Versuche, die KritikerInnen einzubinden, gescheitert. Nun ist erstmals ein »Open Forum Davos« geplant, wo man unter der Schirmherrschaft des Forums den Dialog mit ausgewählten VertreterInnen der Zivilgesellschaft führen will. Die propagierte Offenheit geht nicht zuletzt zurück auf eine Empfehlung des Unternehmerberaters Peter Arbenz. Er entwarf nach der Eskalation der Proteste im Jahr 2001 verschiedene Szenarien und schlug eine Reihe von Maßnahmen vor, um weitere gewalttätige Ausschreitungen zu verhindern.

Arbenz stellt dem »Bunker-« das »Spielfeldszenario« gegenüber, das Davos zum »Ort gewaltfreier, aber durchaus intensiv-kritischer Auseinandersetzungen zwischen WEF und WEF-Gegnern« machen soll. Das senke die Kosten und steigere die politische Akzeptanz des Forums.

Dass in diesem Jahr, wenn auch mit erheblichen Auflagen, erstmals eine Demonstration in Davos während des Treffens bewilligt wurde, dürfte auch auf dieses »Szenario« zurückgehen. Davos kann allerdings nur zum Spielfeld werden, wenn sich alle an die Spielregeln halten.

Die Behörden rechnen damit, dass etwa fünf Prozent der Demonstranten »gewaltorientiert« seien. »Ausländische Chaoten« vesucht man mittels Einreisesperren vom Ort des Geschehens fern zu halten. Während des Forums soll kein Auto und kein Bus unkontrolliert nach Davos gelangen. Zur Kontrolle der per Bahn anreisenden Demonstranten wurde auf dem Weg von Landquart nach Davos eigens ein Kontrollbahnhof mit Schleusen eingerichtet. Dort wurde Platz geschaffen, um etwa 500 Personen in Gewahrsam nehmen zu können.

Für den neuen Generalstabschef der Schweizer Armee, Christophe Keckeis, ist ein solcher Einsatz »unterhalb der Kriegsschwelle« im Hinblick auf den G 8-Gipfel in Evian im Juni dieses Jahres ein »erstrangiger Testfall«. 1 500 Militärangehörige, darunter Teile der Luftwaffe und Spezialeinheiten, werden aufgeboten, zudem stellen verschiedene Kantone mindestens 1 200 Polizisten nach Graubünden ab.

Ergänzt wird dieses Sicherheitsaufgebot von einer »Einsatzreserve« aus 50 Polizisten aus Baden-Württemberg und Bayern, die mit sechs Wasserwerfern in Landquart stationiert sind. Ihr Einsatz wurde durch den im März des vergangenen Jahres unterzeichneten deutsch-schweizerischen Polizeivertrag möglich, der in »notwendigen Situationen« eine gegenseitige Amtshilfe vorsieht. Insgesamt werden für die Sicherheit rund um das Forum etwa 13,5 Millionen Franken ausgegeben.

Der »Davos Social Express« wird am 25. Januar Demonstranten aus der ganzen Schweiz nach Davos bringen. Die vom Oltener Bündnis organisierte Großdemonstration steht unter dem Motto: »Kein Krieg – Kein WEF – Für soziale Gerechtigkeit«. In diesem Bündnis haben sich im Sommer 2001 verschiedene globalisierungskritische Basisgruppen, NGO und Parteien zusammengeschlossen. Es lehnt jeden Dialog mit den WEF-Verantwortlichen ab und will eine Auflösung des Forums. Hinzu kommen weitere Aufrufe zu Demonstrationen von Gewerkschaften und von Gruppen der radikalen Linken.

Ein großer Streitpunkt sind derzeit die angekündigten Konrollen auf dem Weg nach Davos. Das Oltener Bündnis will sie nicht akzeptieren und ruft zu zivilem Ungehorsam auf. Die Behörden signalisieren allerdings, dass es in diesem Punkt keinen Verhandlungsspielraum gebe. Allgemein hatte man nach der Erlaubnis zu demonstrieren eine kooperativere Haltung des Bündnisses erwartet.

Doch die Anti-WEF-Bewegung will sich nicht spalten lassen. Niemand wolle eine Eskalation, erklärt Walter Angst vom Oltener Bündnis, vielmehr gehe es darum, »den Eliten den sozialen Raum streitig zu machen, damit es Platz gibt in den Köpfen der Menschen für eine andere Welt als die neoliberale«.

Für die Massenmedien bleibt das Oltener Bündnis das klare Bekenntnis zum Gewaltverzicht schuldig. Welch absurde Blüten bisweilen die Auseinandersetzung der bürgerlichen Medien mit den »Globalisierungsgegnern« treibt, müsste auch der Bewegung zu denken geben. Sie wünsche sich »eine dörfliche Gemeinschaft grauer Vorzeiten« herbei, in der »Häuptlinge« das Sagen haben und der »Dorfwucherer an die Stelle kühler Großbankfilialen« tritt, schreibt der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär Beat Kappeler in der Neuen Zürcher Zeitung.

Wie so oft blieben wegen der »Gewaltfrage«, die auch innerhalb der Bewegung kontrovers diskutiert wurde, viele inhaltliche Diskussionen auf der Strecke. Auf den verschiedenen Kongressen und den unzähligen Veranstaltungen in der ganzen Schweiz sollen sie nun nachgeholt werden. Die NGO-Alternativkonferenz »Public Eye on Davos«, die in diesem Jahr von Oskar Lafontaine eröffnet wird, will vor allem die Politik der Konzerne thematisieren.

Der Attac-Kongress »Das andere Davos« wird sich hingegen mit der Entwicklung vom »Kasino- zum Kasernenkapitalismus« beschäftigen. Erstmals gibt es in diesem Jahr auch eine antirassistische Mobilisierung von Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen.