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Keine Ahnung, ob es im normalen Arbeitsleben auch so ist, aber hier in der Redaktion behindert ein eigentlich bekanntes Phänomen in immer größerem Ausmaß die Produktionsabläufe. Gerade hat man angefangen, ein Thema zu recherchieren, wollte sich dem Deutschen Haus widmen oder dem Streik in Venezuela, einen Hintergrundtext bearbeiten oder eine Autorin anrufen, schon wird man jäh unterbrochen.

Die Störung kündigt sich durch ein Klingeln an. Nein, niemand bringt den schuftenden RedakteurInnen ein Eis vorbei. Es ist auch kein Besucher, der sich mal wieder nach dem Wohlbefinden der Arbeiterklasse des Journalismus erkundigen will. Es ist der CvD, der zur Sitzung ruft.

Sitzung? Oh nein, hallt es von den Arbeitsplätzen wieder. Keine Zeit, das geht jetzt nicht, bitte, bitte noch fünf Minuten. Doch die Ausflüchte wirken nicht, schließlich muss die neue Ausgabe geplant werden. Also nehmen alle ihre Stühle unter den Arm, und rüber geht’s zum großen Tisch.

Schnell noch Kaffee eingeschenkt und gleich noch einen neuen aufgesetzt, denn es könnte wieder mal ein Marathon werden. Dabei stellt die Planungssitzung am Mittwochvormittag nur den Anfang dar. Schon am Nachmittag, wenn sich abzeichnet, dass das vorgesehene Thema nicht genug hergibt, wird eine special force gebildet, die sich dem Problem annimmt.

Gleichzeitig sitzen andere RedakteurInnen zusammen, um die Dossier-Planung für die kommenden Wochen durchzugehen. Wenn man diese »kleinen« Sitzungen hinter sich gebracht hat und sich endlich der Arbeit widmen will, kommt jemand von einer Tierschutzvereinigung »mal kurz auf einen Kaffee« vorbei.

Den Donnerstag bestimmt dann die Geschäftssitzung. Der riesige Gewinn, den diese Zeitung einspielt, muss ja verteilt werden. Am Nachmittag treffen sich redaktionsinterne Hartz-Kommissionen, das Thema wird noch einmal diskutiert. Es wird Freitag, es wird Samstag, all we can do is sit and wait.

Am Ende fragt man sich nicht mehr, wie es dazu kommen konnte, dass die RedakteurInnen eines Ressorts vergessen, einen Kommentar zu bestellen, dass sich niemand um eine Glosse für die Disko-Seite kümmert und das Foto fürs Interview noch immer auf sich warten lässt. Auch an die Homestory hätte beinahe niemand gedacht. Und schon wieder klingelt’s. Worum geht’s? Wohin wir essen gehen wollen. Na dann, guten Hunger!