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Wollt ihr den?

Arbeitsmarkt. Vorschläge, wie das Land aus der Krise und seine BewohnerInnen wieder zum Arbeiten gebracht werden können, trudelten auch in der vergangenen Woche ein. Wolfgang Clement (SPD), der nicht nur »Superminister« für Wirtschaft und Arbeit, sondern seit kurzem auch der beliebteste deutsche Politiker ist, schlug vor, den Kündigungsschutz in kleinen Betrieben zu lockern. Die rot-grüne Regierung hatte ihn für Betriebe mit mindestens fünf Angestellten eingeführt.

Für den Leiter der Bundesanstalt für Arbeit (BfA), Florian Gerster, heißt das Zauberwort dagegen Lohnnebenkosten. Sie sollen mit Hilfe der Rürup-Kommission gesenkt werden. Die BfA will bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und den Fortbildungskursen sparen, damit sich zumindest noch einige wenige in der sozialen Hängematte ausruhen können.

Davon können diejenigen, die noch Arbeit haben, nur träumen. Sie sollen nach Ansicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) 500 Stunden umsonst arbeiten, zusätzlich, versteht sich, und auf die kommenden fünf Jahre verteilt. Das würde die Arbeitskosten senken, lautet die unwiderlegbare Rechnung des Präsidenten des DIHK, Ludwig Georg Braun. Wahrscheinlich meinte Clement genau das, als er am vergangenen Freitag neue, intelligente, tabufreie Lösungen forderte.

Bewegung ist gesund

Bambule. Nach einer kurzen Verschnaufpause zwischen den Jahren gingen in der vorigen Woche in Hamburg die Proteste gegen den rechten Senat weiter. So wurde am Mittwoch ein Seminarraum der Hamburger Universität vorübergehend besetzt. Die Pressekonferenz in der »Bambulanz« stand unter dem Motto: »Gegen Studiengebühren und Ausgrenzung – Für die Bambule und selbstbestimmte Projekte«. Auch der ehemalige Platz der Wagenburg Bambule im so genannten Karoviertel wurde symbolisch besetzt.

Am vergangenen Donnerstag wurde dann erstmals im neuen Jahr wieder demonstriert. Mehrere hundert Leute versammelten sich und zogen durch das Schanzen- und das Karoviertel. Und erfreulicherweise beschränkt sich der Protest nicht nur auf Hamburg. Auch bei einem Besuch des Innensenators Ronald Schill in Oldenburg kam es zu einer Gegenkundgebung. Schills Auftritt in der Gaststätte »Harmonie« verlief nicht ganz so harmonisch, wie er es sich wohl vorgestellt hatte. Die Polizei musste ihn wieder einmal vor seinen Gegnern schützen.

Die Unbequemen kommen

Antisemitismus. Jürgen W. Möllemann wurde am vergangenen Wochenende mit großer Mehrheit wieder zum Vorsitzenden der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (DAG) gewählt. Dabei nutzte er die Gelegenheit für neue Angriffe gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon und den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman. Möllemann sagte, Sharon sei gegen eine Gleichbehandlung von Israelis und Palästinensern und verfolge ein »Konzept von Über- und Unterordnung«. Zudem halte er den »starken Einfluss« von Friedman für »überzogen«.

Da ihm der Ausschluss aus der FDP droht, denke er auch über die Gründung einer eigenen Partei nach. Diesen Plan hegt auch der fraktionslose Abgeordnete im nordrhein-westfälischen Landtag, Jamal Karsli. Er musste wegen seiner antisemitischen Ausfälle im vorigen Jahr aus der Partei austreten. Die »momentane politische Situation« zwinge ihn zu handeln, sagte er in der vergangenen Woche. Er wolle eine Partei mit sozialen und liberalen Grundsätzen gründen, die gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit kämpfe. Er wolle aber auch »unbequeme« Themen ansprechen. Falls Möllemann tatsächlich eine Partei gründen wolle, »dann können wir uns zusammentun«. Der Gründung einer Partei der Unbequemen steht also nichts mehr im Wege.

Coke is it

Innovation. So schlecht kann es um die deutsche Wirtschaft nicht bestellt sein, denn es gibt Geschäftsideen allerorten. Die Berliner Getränkehändlerin Dagmar Lohmann bereitet den Vertrieb der Limonade »Mecca-Cola« vor. »Mecca-Cola ist für die Leute gemacht, die eine Alternative zu Coca Cola haben wollen, weil sie mit der Außenpolitik der USA nicht einverstanden sind«, sagte Lohmann.

Die Cola wurde im vergangenen Jahr in Frankreich auf den Markt gebracht. Der Konzern Mecca-Cola Beverages wirbt mit dem Spruch für sein Produkt: »Ne buvez plus idiot, buvez engagé.« Das heißt übersetzt: »Trink nicht mehr idiotisch, trink engagiert.« »Bis heute haben wir 2 200 000 Flaschen mit je 1,5 Litern verkauft«, sagte der Erfinder, Tawfik Mathlouti, ein aus Tunesien stammender Franzose, nach einem Bericht der Berliner Zeitung. Zehn Prozent des Profits sollen an »wohltätige« Organisationen in Palästina und Europa gehen. »Wenn es zu einem Irakkrieg kommt, werden viele Leute auf Mecca-Cola umsteigen«, zeigt sich Lohmann überzeugt. »Das ist ein Getränk für alle Deutschen, nicht nur für Muslime.« Zumindest für alle Möllemanns und Karslis.

Susanne Thaler ist tot

Todesfall. Die frühere FDP-Politikerin Susanne Thaler starb am Samstag der vorletzten Woche im Alter von 64 Jahren in Berlin. Sie war die einzige prominente Politikerin, die auf dem Höhepunkt der Affäre um die antisemitischen Angriffe Jürgen W. Möllemanns aus der Partei austrat.

Thalers Familie war 1938 aus Deutschland geflohen. Während des Krieges war Thaler in einem Konzentrationslager in den Niederlanden inhaftiert, 1947 kehrte sie nach Deutschland zurück. Sie war viele Jahre Vorsitzende des Ortsverbandes Berlin-Dahlem.

In einem Interview mit der Jungle World kurz vor der Bundestagswahl kritisierte sie die Parteiführung der FDP, die einen »Antisemiten« wie Möllemann in ihren eigenen Reihen dulde. (Jungle World, 39/02)