Alle sind verdächtig

Stanley-Cup aus Lego geklaut

Die Diebe müssen echte Profis gewesen sein. Kurz vor dem Ende der traditionellen »Super Show« in Las Vegas, einer Ausstellung von Sportequipment, schlugen sie zu. Sie schalteten elektronische Sicherungen aus und nutzten tote Winkel im Video-Überwachungssystem, sodass sie schließlich ohne Probleme ihre Beute einsacken konnten: eine exakte Kopie des legendären Stanley-Cup, gefertigt aus ungefähr 6 000 Legosteinen.

20 offiziell von der dänischen Spielzeugfirma abgestellte Bauklötzchen-Experten hatten einen ganzen Monat

an der Replik gearbeitet. Der Verlust schmerzt Fans des Eishockey bereits jetzt, obwohl erst die wenigsten die Nachbildung des ältesten Sportpokals der Welt bestaunen konnten.

Um den Original-Cup wurde schon gespielt, bevor 1917 die National Hockey League (NHL) in Kanada gegründet wurde. Am 18. März 1892 beschloss der damalige kanadische Generalgouverneur Lord Stanley of Preston, einen Pokal für die Eishockey-Mannschaften des Landes zu stiften. Ein Jahr später wurde erstmals um den »hässlichsten Cup der Welt« gespielt, eine silberne, 19 Zentimeter hohe Trophäe mit einem Materialwert von 50 Euro.

Sein Stifter sah kein einziges Match, denn er wurde noch während der laufenden Saison nach England zurückbeordert. Trotzdem blieb er unvergessen. Der »Dominion Hockey Challenge Cup« erhielt von den Fans rasch den Spitznamen »Stanley Cup«, der bald auch offiziell übernommen wurde.

Um in den Besitz des Pokals zu kommen, nahmen Eishockeyspieler schon in der Frühzeit des Sports gewaltige Anstrengungen auf sich. Die traurigste Geschichte ist die eines Teams aus Dawson City. Die Mannschaft schaffte es 1905 bis ins Endspiel. Um bei den Ottawa Silver Seven antreten zu können, musste sie allerdings 4 400 Kilometer weit reisen. Der Spielerrat beschloss, dass man das Wagnis eingehen sollte; die Fahrtkosten in Höhe von 3 000 Dollar sollten aus eigener Tasche vorgestreckt werden, schließlich würde man an den Einnahmen beteiligt sein.

23 Tage lang sollten die Spieler unterwegs sein, zuerst auf Hundeschlitten, wobei sich einige bei Temperaturen von minus 30 Grad Erfrierungen zuzogen. Das Schiff, das sie nach Vancouver bringen sollte, verpassten sie zunächst, sodass sie erst am Tag vor dem Finale in Ottawa eintrafen. Die Jungs aus Dawson City verloren sang- und klanglos mit 3:22.

Dabei hätten sie, so ist zu vermuten, besser auf den Pokal aufgepasst als die Verantwortlichen in Las Vegas auf die Lego-Kopie. Zumal die Polizei bei der Suche nach den Dieben immer noch im Dunkeln tappt. »Jeder ist verdächtig«, sagte ein Sprecher lapidar. Immerhin soll nun ein Duplikat des Duplikats hergestellt werden. Und die NHL beschloss, für die künftige Spielzeugtrophäe einen »Keeper of the Cup« abzustellen.

Lord Stanley hatte einen solchen Pokalhüter bereits in seinem Regelwerk von 1893 ausdrücklich vorgesehen. Seinem Willen, und sei es nur bei der Kopie, zuwider gehandelt zu haben, so erklärten die reuigen NHL-Manager, sei »sehr beschämend«.

elke wittich