Scheiden tut weh

Die Antifaschistische Aktion Berlin gibt nach zehnjährigem Bestehen ihre Auflösung bekannt. Sie spaltet sich in zwei neue Gruppen. von ivo bozic
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Die Party fällt aus. Am Donnerstag der vergangenen Woche löste sich die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) auf. Ganz ohne Showdown und Rosenkrieg vollzog sie die Scheidung so pragmatisch, wie man es von der postautonomen Antifa aus Berlin erwarten konnte. Als die Besitztümer aufgeteilt waren, war das Kapitel beendet.

Mit der AAB verschwindet die größte und interventionsfähigste deutsche Antifa-Gruppe von der Bildfläche. 1993 wurde die Gruppe unter dem Namen Agitation & Praxis gegründet. Als Teil der bundesweiten Organisation AA/BBO war die AAB ein Ergebnis der Debatte über die Organisierung in der autonomen Linken. Die AAB war dabei vom ersten bis zum letzten Tag ihres Bestehens in der Szene heftig umstritten.

Vorgeworfen wurde ihr, parteiähnliche Strukturen zu haben, inhaltlich beliebig und populistisch zu sein und durch Mackertum und einen Militanzfetischismus aufzufallen. Als dann im März 1999 in der Szenezeitung Interim noch ein Vergewaltigungsvorwurf gegen ein Mitglied der AAB erhoben wurde und die Organisation sehr lange brauchte, um sich dazu zu äußern, beschloss so manche Gruppe den Boykott der AAB.

Allerdings hat ihr das wenig geschadet. Durch ihr effektives und pragmatisches, man kann auch sagen: dominantes Auftreten konnte die AAB in der radikalen Linken ihren Platz behaupten, schon weil sie die mühsame Organisation der 1. Mai-Demonstration in Berlin übernahm und mit ihrer Pressearbeit immer wieder Aufsehen erregte.

Der Niedergang der AAB begann spätestens mit dem Ende der AA/BO im April des Jahres 2001. Nach dem kurzen Sommer der Staatsantifa im Jahr 2000 war die Antifabewegung in die Krise geraten. Vor allem die Strategie der AA/BO, Antifa nur als einen Motor für eine grundsätzlichere, revolutionäre Politik zu nutzen, musste spätestens mit der Erkenntnis, dass auch der Staat und das Kapital gelegentlich kein Interesse am Bestehen rechtsextremer Bewegungen haben, in Frage gestellt werden.

Die notwendige Debatte über eine Neuorientierung wurde jedoch nicht geführt, zumindest nicht gemeinsam. Da die AAB eine sehr große Gruppe mit zeitweise 70 Mitgliedern war, traf man sich vor allem in Arbeitsgruppen und an Stammtischen. So bildeten sich verschiedene Zirkel, die sich mit der Zeit auseinanderlebten und in zwei Fraktionen zerfielen.

Daher ist das Ende der AAB auch der Anfang zweier neuer Gruppen. Das Wort Auflösung ist insofern nicht korrekt. Vielmehr muss man von einer Spaltung sprechen. Noch vor dem offiziellen Begräbnis am vergangenen Donnerstag haben sich zwei etwa gleich große Nachfolgegruppen gebildet.

Die Gründe für die Spaltung sind vielfältig. Aus der Sicht des sich nunmehr donnerstags treffenden Teils der AAB, also der Donnerstagsgruppe, standen sich zwei Konzepte gegenüber. Wie Vertreter dieser Fraktion der Jungle World erklärten, halte man an dem alten Konzept der AAB fest, für alle Linken offen zu sein und sich an der Antiglobalisierungsbewegung zu beteiligen. Es gehe aber nicht um ein »blindes Sammeln« aller möglichen Linken und Halblinken, sondern darum, in gegenwärtigen Bewegungen präsent zu sein, nicht nur mit dem eigenen Logo, sondern auch mit eigenen Argumenten.

Man stehe für eine »linksradikale Politik als offensives Aufgreifen und Zuspitzen gesellschaftlicher Konflikte und als Impulsgeber in möglichst breite Gesellschaftsschichten«. Den anderen werfen sie vor, sich vor allem von der Mehrheit der Linken abzugrenzen und als Zielgruppe ihrer Politik eher einen kleinen Teil der Linken denn die breite Öffentlichkeit im Blick zu haben. Diese beiden Konzepte hätten einander mehr und mehr blockiert.

Die andere Fraktion, die sich mittwochs trifft, schreibt in ihrer Erklärung zur Auflösung der AAB: »Wir werfen den Anderen vor, sich in einem unreflektierten, rein quantitativen, weil auf Sammlung möglichst vieler gerichteten Aktionismus zu erschöpfen, der Radikalität durch das Hochhalten eines nicht näher bestimmten revolutionären Ansatzes in Kombination mit militantem Auftreten bloß imitiert.«

Neben strategischen sind aber auch inhaltliche Konflikte bei der Spaltung im Spiel. Während große Teile der Donnerstagsgruppe in der traditionelleren Linken zu verorten sind, entwickelte sich die Mittwochsgruppe in der Auseinandersetzung mit postmodernen, wertkritischen und antideutschen Positionen. Der Donnerstagskreis engagiert sich gegen den Irakkrieg, während der Mittwochskreis dies skeptisch bewertet.

Homogene Fraktionen stehen sich dennoch nicht gegenüber. Und dass ein Aktivist der Donnerstagsgruppe auf der Demonstration zum Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf dem Lautsprecherwagen mit einem Palästinensertuch posierte und Intifada-Soli-Songs abspielte, dürfte eher als plumpe Provokation zu werten sein, um die Spaltung voranzutreiben, denn als Ausdruck einer politischen Ausrichtung der gesamten Donnerstagsgruppe. Der Jungle World versicherte ein Sprecher jedenfalls: »Es wird sich an unseren Papieren und an unserer Praxis zeigen, dass wir nicht den Antiimperialismus im Nahen Osten entdeckt haben.«

Auch für die Donnerstagsgruppe sei das Thema Antisemitismus weiterhin wichtig. Inhaltliche Auseinandersetzungen mit all diesen Streitpunkten stehen jedoch in beiden Nachfolgeorganisationen noch aus. Auch die Mittwochsgruppe wird erst noch ihren Platz in der sich derzeit neu sortierenden Berliner Szene suchen müssen.

Jedenfalls hat sich gezeigt, dass ein Ausgangspunkt der AAB verkehrt war. Die Schwäche der Linken liegt nicht nur in ihrer ineffektiven Struktur begründet. Ohne eine inhaltliche Festlegung ist linke Politik auf Dauer nicht möglich. Entweder weil sie irgendwann nicht mehr politikfähig ist – oder nicht mehr links.

Trotzdem muss man am Ende feststellen, dass selten eine Gruppe überhaupt zehn Jahre lang besteht und dabei so viele Erfolge verzeichnen kann. Kein Wunder also, dass allen Streitigkeiten zum Trotz in der autonomen Szene bisher kein Jubel über das Ableben der AAB aufkommen mag.