Endlich auf die Iraker hören!

Opposition und Emanzipation von ivo bozic

Zu jeder Meinung zum Irakkrieg gibt es mindestens einen irakischen Oppositionellen, mit dem man sie argumentativ untermauern kann. Der Funktionalisierung sind Tür und Tor geöffnet, weil es eben keine einfache Formel gibt, auf die man das Schicksal der Menschen im Irak und ihre Hoffnungen und Perspektiven reduzieren kann. Die allgegenwärtige Parole »Kein Blut für Öl« hat mit dem, was die Menschen alltäglich umtreibt, die unter Saddam Husseins Regime leiden, nicht viel zu tun.

Da sich die deutsche Linke jedoch angesichts ihrer antiimperialistischen Erregung für das Schicksal der Menschen im Irak nicht interessieren mag, begrenzt sie zwanghaft die Debatte auf ein kümmerliches Ja oder Nein zum Krieg und zu den USA. Um aber den Verdacht nicht aufkommen zu lassen, man treibe seine Politik auf Kosten oder unter Missachtung der irakischen Bevölkerung, stellt man gelegentlich seiner Meinung einen irakischen Oppositionellen zur Seite oder denunziert jene, die nicht dem erwünschten Bild entsprechen, als Agenten der CIA.

Es ist also bedenklich, sich auf die irakische Opposition zu beziehen. Doch noch viel bedenklicher ist es, sich nicht auf sie zu beziehen. Weder die Bundesregierung noch die deutsche Linke scheint sich für die Ansichten der emanzipatorischen Kräfte des Irak zu interessieren. Brauchte der Antiimperialismus der Vergangenheit noch ein revolutionäres Subjekt – den Vietkong, die Sandinisten oder den EZLN –, so scheint heute die Ablehnung der US-Machtpolitik ausreichendes Motiv zu sein. Es passt eben nicht in die Schablone der außer- und innerparlamentarischen Friedensbewegung, wenn irakische Oppositionelle wie in der vergangenen Woche auf einer Pressekonferenz in Berlin erklären, sich nicht auf ein Ja oder Nein zu einem Krieg festlegen lassen zu wollen. Ihnen gehe es um das Ende des Ba’ath-Regimes, um Befreiung, und natürlich habe man große Angst vor einem Krieg. Aber man schöpfe auch Hoffnung, dass sich die Lebensumstände mit ihm zum Besseren wenden.

Wer wollte es den betroffenen Frauen und Männern absprechen, so unideologisch zu denken. Reden jedoch deutsche Linke von den Perspektiven einer Befreiung oder der Hoffnung auf einen Machtwechsel im Irak, stellt die deutsche Friedensbewegung sie, ohne mit der Wimper zu zucken, in die Ecke der Bellizisten. Denn sie stören ihren Frieden. Dabei haben sie nur die Perspektive der Betroffenen eingenommen: uneinig in der Bewertung eines Krieges, in Abgrenzung zu den USA und zu jeder Militärlogik, aber ohne die billige Ignoranz möglicher emanzipatorischer Perspektiven.

Man braucht kein revolutionäres Subjekt, um linksradikal Stellung zu beziehen zu einem Krieg, aber man darf auch nicht jene, die vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen im Irak für eine gerechtere und demokratischere Gesellschaft streiten, ignorieren oder noch schlimmer: durch die Bank diffamieren. Es geht nicht darum, im Gewirr der vielfältigen irakischen Oppositionellen nach der jeweils passenden Wortmeldung zu suchen; das wäre unredlich. Es geht darum zuzuhören, endlich zuzuhören! Und wer das tut, dem verbietet sich neo-antiimperialistisches Schwarz-Weiß-Denken von allein.