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Kennen Sie das? Sie sind müde, abgespannt und spüren ein merkwürdiges wiederkehrendes Stechen im oberen Brustbereich? Ihre Freunde wundern sich über Ihre aschfahlen Gesichtsfarbe und über die Augenringe, die bis zur Oberlippe reichen? Ihre Angehörigen erkennen Sie nicht mehr wieder, wenn Sie länger als zehn Stunden nicht zu Hause waren?

Dann sitzen Sie vermutlich auch tagaus, tagein auf einem unbequemen Bürostuhl, starren auf einen Bildschirm, lesen ständig schlechte Nachrichten, trinken dazu literweise Kaffee und verputzen Fertigpizza oder Wurstbrote.

Verantwortungsbewusste Kollegen haben ausgerechnet, dass die Redaktion bald durch Arteriosklerose, Schlaganfälle oder Amnesie dezimiert wird, wenn, ja, wenn nicht sofort und energisch Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Seitdem stapeln sich auf dem kleinen Frühstücksbüffet am Montagmorgen frischer Sellerie und Rettiche, Biokäse und Knäckebrot. Dazu gibt’s nun frisch gepressten Rübensaft und jede Menge Magermilch. Die Nachrichten werden dadurch zwar auch nicht besser, aber der neu eingeführte Malzkaffee senkt wenigstens den Blutdruck.

Die Redaktion hat sich zähneknirschend damit abgefunden. Nur manchmal träumt sie noch von den alten Zeiten, als faule Tomaten nicht über die Schwelle kamen und grobe Lauchstauden draußen bleiben mussten. Manche beginnen schon, laut über den Gang ins Exil nachzudenken. Oder wenigstens über einen kurzen Urlaub vom Bioterror.

Seitdem ist häufig der Name eines Landes zu hören, in dem Gemüse als ein Relikt vorindustrieller Zeiten angesehen wird. Und jeder, der was auf sich hält, isst Schweinebraten mit Knödeln. Dort ist die Welt noch in Ordnung, die Lebenserwartung ist gering, die Gesichter sind blass und das Wort Arteriosklerose hat noch einen guten Klang. Und selbst die wenigen Vegetarier schwören auf Wurstsalat. Dort muss es sein, dass große Knödelparadies.

(Fortsetzung folgt)