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Urteil zur Zwangsarbeit von rolf surmann

Nichts gibt’s. In der vergangenen Woche erteilte das Berliner Verwaltungsgericht dem Versuch ehemaliger sowjetischer Zwangsarbeiter mit einem Kriegsgefangenenstatus und ehemaliger italienischer Militärinternierter, vor deutschen Gerichten ihr Recht einzuklagen, eine klare Absage.

In der Begründung heißt es, zwischen der deutschen Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, die vor allem zur Gewährung »humanitärer Leistungen« eingerichtet worden sei, und den Zwangsarbeitern bestehe kein Rechtsverhältnis. Sie hätten auch keine Möglichkeit, das Bundesfinanzministerium zu einer Änderung seiner Entschädigungspolitik zu bewegen. Der Klageweg in Deutschland sei deshalb aussichtslos.

Die Gerichtsentscheidung erscheint als eine souveräne Exekution bürgerlichen Rechts. Denn das Stiftungsabkommen ist eindeutig. Kriegsgefangene werden von den »humanitären Leistungen« ausgeschlossen, und – so das Gericht – auf »humanitäre« Zuwendungen bestehe nun mal kein Rechtsanspruch. Deswegen seien sie nicht einklagbar.

Eine besondere Note bekommt die Angelegenheit, weil die Stiftung auch gegenüber ihren Partnerorganisationen durchsetzte, dass es gegen deren Ablehnungsbescheide keinen Rechtsweg gibt. Deshalb kann auch nicht in Russland geklagt werden. So wurde eine Entscheidungskette geschaffen, die NS-Zwangsarbeiterinnen und -Zwangsarbeiter ohne jegliches Recht zu bloßen Objekten deutscher »Erinnerungskultur« degradierte. Damit einher geht das entschlossene Beharren, für die deutschen Konzerne »Rechtssicherheit« auf internationaler Ebene zu erreichen, um nicht – wie es damals hieß – »zweimal« zahlen zu müssen.

Dieses Urteil steht nicht für sich allein. Bereits vor einigen Wochen wurde gegen die jüdischen Gemeinden der Slowakei entschieden, dass sie vor deutschen Gerichten keinen Ausgleich für die Deportationskosten fordern könnten, die von den in Auschwitz Vernichteten entrichtet werden mussten. Auch die Stiftung, die sich bekanntlich auf ein »Globalabkommen« beruft, erklärte sich nicht für zuständig.

Lediglich ein Kommentator in der Süddeutschen Zeitung wusste Rat. »Bei so gigantischem Unrecht ist ohnehin jede Wiedergutmachung kleine Münze«, heißt es. Daher sollten die im Stiftungsabkommen berücksichtigten jüdischen Opfer die ihnen zustehenden Leistungen mit den abgewiesenen Klägern teilen. Nicht die Bundesregierung, sondern die Jewish Claims Conference wäre die Adresse. So entschädigten sich die NS-Opfer letztlich selbst.

Auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte konnte die Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Wehrmachtsopfern aus dem griechischen Distomo mit ihrer Berufung auf ihre »Staatenimmunität« die Vollstreckung eines rechtskräftigen griechischen Urteils zur Versteigerung des Goethe-Instituts verhindern (Jungle World, 11/03). Die »Staatenimmunität« wird also zum letzten Fluchtpunkt der Bundesrepublik Deutschland, um sich ihrer Verantwortung für die Verbrechen an der Menschheit zu entziehen. Aber es regt sich in dieser Gesellschaft kein entschiedener Widerstand dagegen, noch nicht einmal von links.