Handel mit Häftlingen

Privatisierung von Gefängnissen

In Deutschland wird gern eingesperrt. Auch in der Hauptstadt. Dort hat die Zahl der Häftlinge in den vergangenen vier Monaten um acht Prozent zugenommen, in den vergangenen sieben Jahren insgesamt um mehr als 20 Prozent.

Die Berliner Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) will deshalb ihren zunächst verworfenen Plan einer neuen Haftanstalt in Großbeeren (Brandenburg) nun vielleicht doch bereits in der nächsten Legislaturperiode verwirklichen. Dagegen spricht die leere Landeskasse. Doch die Unterbringung von Gefangenen ist inzwischen günstig zu haben. Andere Kommunen haben vorgemacht, wie es geht: Die Gefängnisse in Waldeck und Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) sind die ersten privat (mit-) finanzierten Haftanstalten in Deutschland, weitere sollen folgen, zum Beispiel in Hünfeld (Hessen).

In den USA entwickelte sich der Handel mit den Häftlingen innerhalb kürzester Zeit zu einem Milliardengeschäft. Das Gefängniswesen wurde der am schnellsten wachsende Wirtschaftssektor. Gerade in Gegenden mit schwacher Infrastruktur drängte man darauf, neue Gefängnisse zu bauen, um die Bau- und Sicherheitsindustrie zu fördern und Arbeitsplätze zu garantieren.

Dumm nur, dass private Investoren kein Interesse daran haben, die Häftlinge zu resozialisieren oder die Ursachen von Straftaten zu bekämpfen. Warum sollten sie auch? Je mehr Häftlinge, desto besser das Geschäft. Die Knastbetreiber sind auf einen ständigen Zugang von neuen Häftlingen angewiesen, damit sie bestehen können. Das Beispiel USA zeigt sogar, dass mit der Zahl der privaten Gefängnisse tatsächlich auch die Zahl der Häftlinge weiter ansteigt.

Wie schon in Frankreich und Großbritannien droht sich der Trend zur Privatisierung von Haftanstalten auch in Deutschland durchzusetzen. Die Wirtschaft schenkt der Idee bereits Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund findet am 24. und 25. März in Berlin eine Fachkonferenz zum Thema »Haftanstalten – (Teil-) Privatisierte Justizvollzugsanstalten als neues Geschäftsfeld« statt. Für 1 495 Euro können sich potenzielle Investoren erklären lassen, »welche Akteure wie profitieren können«.

Zu den Interessenten, die den neuen Markt in Deutschland eröffnen wollen, könnte die Berliner Sodexho-Anstalts-Bewirtschaftungs GmbH (Sodab) gehören. Sodab war an der Planung einer privaten Haftanstalt in Schlüchtern (Hessen) beteiligt, die nur deshalb nicht gebaut wurde, weil die Schlüchterner gegen ein Gefängnis in ihrer Stadt protestierten.

Die Mutterfirma Sodexho, mit Hauptsitz in Frankreich, ist in den USA bereits einschlägig bekannt. Dort musste sich das Unternehmen nach starker Kritik an den Zuständen in seinen Haftanstalten und Verbindungen zu der rechten Lobby American Legislative Exchange Council vom Markt zurückziehen. Mit seinen Tochterfirmen betreibt Sodexho aber in anderen Ländern wie zum Beispiel in Australien weiterhin profitorientierte Haftanstalten und breitet sich auch in Europa aus. In Berlin ist die Tochterfirma Sodexho-Pass im Geschäft mit Gutscheinen und Chipkarten für Asylbewerber führend.

anna giesecke