Recht ungehorsam

24 Stunden lang wollten 1 500 Menschen die US-Airbase in Frankfurt blockieren. Trotz des Verbots wurden es immerhin zwei Stunden. von steffen falk

Die Frankfurter Polizei wünscht Ihnen und uns einen angenehmen Nachmittag.« So schallt es um Punkt 12 Uhr in breitem Hessisch der wartenden Menge an einer Waldlichtung entgegen. Ein bunter Haufen hat sich an diesem vorfrühlingshaften Wochenende zusammengefunden, um vor der US-Airbase in Frankfurt zu demonstrieren. Die DKP, Pax Christi, der StadtschülerInnenrat Frankfurt, ein Stamm der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg und viele andere bekunden mit Transparenten, Pappschildern und guter Laune ihre Friedensliebe. Die obligatorischen Linksruck-Schilder fehlen genauso wenig wie einige PDS-Fahnen.

Sie alle eint ihre entschiedene Haltung zur US-Außenpolitik: »Waffeninspekteure in die USA – Psychiater ins weiße Haus«, »Bush – Kriegstreiber der US-Ölkonzerne«, »Bush nach Den Haag statt Truppen in den Irak«. Eine Schlussfolgerung lautet: »Old Europe says ›NO‹«.

Das Böse trägt ein amerikanisches Gesicht, auf einem Transparent haben die Karikaturen von George Bush, Donald Rumsfeld und Colin Powell Felle und vier Beine und werden von einem Ölbaron in Frack und Zylinder in den Irak geschickt. Man tritt selbstbewusst und witzig auf mit Transparenten, auf denen geschrieben steht: »Kein RUMS in kein FELD« oder »Halt’s Maul Powell! / Bush und Blair – Achse des Blöden!«

Etwa 1 500 Friedensbewegte versammelten sich am vergangenen Samstag nahe dem S-Bahnhof Frankfurt-Zeppelinheim, um gegen einen möglichen Irakkrieg zu protestieren. Ziel der von »Resist the war« organisierten Demonstration war die unweit gelegene US-Airbase. Da Resist auch dazu aufgerufen hatte, nach der Demonstration das Haupttor des US-Luftwaffenstützpunkts wie schon am 22. Februar zu blockieren, verhängte das Ordnungsamt der Stadt Frankfurt zeitweise ein Versammlungsverbot für das gesamte Stadtgebiet. Das ging aber selbst dem Verwaltungsgericht in Kassel zu weit. Die angemeldete Demonstration wurde genehmigt, nur die Sitzblockade blieb verboten.

Und obwohl viele DemonstrantInnen kamen, blieb ihre Anzahl weit hinter den Erwartungen zurück. Nach dem 22. Februar, als sich 2 000 Menschen an der Blockade beteiligten, hatte man mindestens mit der doppelten Anzahl gerechnet, sagte der Frankfurter Polizeisprecher Manfred Feist. Entsprechend zahlreich waren die Ordnungskräfte vertreten, mit mehreren Hundertschaften aus vier Bundesländern.

Auch Christoph Bautz, der Pressesprecher von Resist, zeigte sich von der Zahl der TeilnehmerInnen enttäuscht, galt es doch, den Erfolg der ersten Blockade zu überbieten und das selbstgesteckte Ziel einer 24stündigen Blockade nicht allzu unrealistisch erscheinen zu lassen. Für die geringe Beteiligung machte er die kurzfristige Genehmigung der Demonstration und eine fehlende Berichterstattung in den Medien verantwortlich. Bautz spricht normalerweise für das Attac-Bundesbüro, die Resist-Kampagne hat er zusammen mit anderen AktivistInnen aus der Friedens- und der Antiglobalisierungsbewegung gegründet.

Als die Kundgebung beginnt, macht der Veranstaltungsleiter, Manfred Stenner, zunächst klar, dass eine dauerhafte Sitzblockade zwar rechtswidrig und somit auch nicht genehmigungsfähig, von den Veranstaltern aber ausdrücklich erwünscht ist. Für Erleichterung sorgt das übermittelte Versprechen der Polizei, »sanft« sein zu wollen.

Was Stenner in seiner Rede bewegt, ist aber vor allem die Frage nach den wahren Gesetzesbrechern. Da die Kriegsvorbereitung, die auch in Zeppelinheim vonstatten gehe, völkerrechtswidrig sei, seien Aktionen wie die Blockade der Airbase legal. Mit der Bereitstellung von militärischer Infrastruktur und der Gewährung von Überflugrechten unterstütze die Bundesregierung die Vorbereitung des Angriffskrieges und mache sich strafbar. Das informelle Treffen der Außenminister der USA, Englands und Spaniens bezeichnet Stenner als »Kriegsgipfel der Kriegstreiber«.

Auch der Redebeitrag von Andreas Buro, dem friedenspolitischen Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie, ist ein großes Glaubensbekenntnis zum Grundgesetz und zum Völkerrecht. Die US-Administration in Washington ersetze die Stärke des Rechts durch das Recht des Stärkeren, klagt er an. Die Regierungen in Berlin, Paris und Moskau ermutigt er dagegen, ihr Nein zum Krieg konsequent durchzuhalten. »Unser Feind ist der Krieg und nicht einzelne Soldaten oder Polizisten!« Für diese Aussage erntet er nicht nur viel Beifall im Publikum, sondern auch das zustimmende Nicken der Einsatzkräfte.

Die deutschen Interessen im Irakkonflikt finden in den Reden nur dann Erwähnung, wenn Deutschland im militärischen Bündnis mit den USA gesehen wird. Ansonsten geht es nur mit der Friedensbewegung oder gegen sie, das weiß auch Jochen Stay, das »Gesicht« (Manfred Stenner) der Kampagne gegen Atomkraft X-tausendmal quer. »Auf welcher Seite steht ihr in Berlin und Wiesbaden eigentlich?«, fragt Stay die Bundes- und die hessische Landesregierung.

An der Airbase angekommen, lassen sich die meisten DemonstrantInnen vor der Zufahrt zum Luftwaffenstützpunkt nieder und widersetzen sich der Anweisung der Polizei, die Kundgebung auf einem angrenzenden Parkplatz neben dem Haupttor abzuhalten. Einige, vor allem ältere, protesterprobte BlockadeteilnehmerInnen schlagen gegenüber den durchweg geduldig wirkenden Polizeibeamten einen aggressiveren Ton an. Faktisch duldet die Polizei die Blockade mehr als zwei Stunden.

Vom ungehorsamen Treiben unbeeindruckt, starten während der Aktion wie an jedem Tag mehrere Transportflugzeuge der US-Airforce von der Rhein/Main-Airbase. Wohin, das weiß hier keiner so genau. Trotzdem wird das Donnern der Motoren von Buhrufen und lautstarken Pfeifkonzerten begleitet. Das war nicht immer so, denn die Airbase war auch einmal Start- und Landeplatz der so genannten Luftbrücke in das isolierte Westberlin. Die ehemals wichtige strategische Bedeutung für die amerikanischen Streitkräfte hat der Stützpunkt in Zeppelinheim aber spätestens nach dem zweiten Golfkrieg im Jahr 1991 eingebüßt. Der zivile Flugverkehr des Rhein/Main-Flughafens schränkte die militärische Luftfahrt immer weiter ein, was dazu führte, dass die Logistik der US-Airforce zum Stützpunkt Ramstein (Rheinland-Pfalz) verlegt wurde. Tatsächlich dient der Standort Rhein/Main, der von Resist als »äußerst wichtige Drehscheibe für den Truppenaufmarsch« bezeichnet wird, vor allem als Tanklager für die großen Truppentransporter der Klassen Starlifter, Globemaster und Galaxy.

Gegen 16 Uhr beginnt die Polizei mit der lange angekündigten Räumung der Sitzblockade vor dem Haupttor. Die BlockiererInnen werden von den Polizeibeamten einzeln weggetragen, ihre Personalien werden nach der Räumung festgestellt. Ihnen drohen nun Anzeigen wegen einer Ordnungswidrigkeit, in Einzelfällen auch Strafanzeigen wegen Nötigung. Christoph Bautz ist zufrieden und erfreut darüber, dass sich die meisten DemonstrantInnen entschlossen an der Blockade beteiligt haben.