Tod eines Außenseiters

Serbien nach Djindjic von markus bickel

Ein gutes Jahrzehnt nach seinem Erscheinen auf der politischen Bühne ist die einst wichtigste Waffe des Westens im Kampf gegen Slobodan Milosevic auch schon wieder weg. Mit dem Mord an Zoran Djindjic hat nicht nur Berlin seinen wohl bedeutendsten Statthalter auf dem Balkan verloren; vor allem in Washington wird man sich gehörig über den Verlust des gefügigen Nationaldemokraten ärgern. Schließlich war es die Administration George Bushs, die dem serbischen Ministerpräsidenten nach der Machtübernahme Anfang 2001 weitaus stärker als die deutsche Bundesregierung die Daumenschrauben anlegte: Ohne Zusammenarbeit mit dem Uno-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, so die unmissverständliche Drohung, gibt es auch keine Kredite.

Sie zeitigte nicht nur bei der Auslieferung Milosevics an das Tribunal ihre Wirkung, die Djindjic ausgerechnet auf den 28. Juni 2001 terminierte, den Jahrestag der für serbische Patrioten bis heute traumatischen Niederlage gegen osmanische Truppen auf dem Amselfeld. Erst als der serbische Ministerpräsident Ende Februar einwilligte, die von Washington protegierte Uno-Chefanklägerin Carla del Ponte bei der Verhaftung weiterer in Den Haag Angeklagter zu unterstützen, gab Bush grünes Licht zur Überweisung eines von Belgrad seit Monaten ersehnten Millionenbetrags. Unabhängig davon, wer aus dem international kaum bekannten politischen Establishment Serbiens die Nachfolge Djindjics antritt, stehen die Chancen gut, dass die USA die Zahlungen schon bald wieder beenden.

Denn mehr als ein Jahrzehnt, nachdem Milosevic die serbische Frage ganz oben auf die politische Agenda von Titos Jugoslawien setzte, hat sich die Personalpalette unter den Belgrader Eliten kaum verändert. Bei allen Avancen, die Djindjic den serbischen Nationalisten immer wieder gemacht hat – während des Krieges in Bosnien beispielsweise besuchte er Radovan Karadzic zu einem Zeitpunkt, als Milosevic mit dem Verfechter biologistisch motivierter territorialer Teilungspläne längst gebrochen hatte –, blieb er bis zu seinem Tod der einzige mit nennenswerten Kompetenzen ausgestattete Vertreter der serbischen Zivilgesellschaft, der die Rückkehr der chauvinistischen Kräfte des ancien regime an die Spitze der Exekutive blockieren konnte.

Wäre es um wenigstens ansatzweise antinationalistische Alternativen in Serbien nicht so schlecht bestellt, könnte man froh sein, dass Milosevics rechte Hand, der Neofaschist Vojislav Seselj, sich im vorigen Monat freiwillig dem Tribunal stellte. Doch da die Akteure rechts des rot-braunen Blocks noch unappetitlicher sind als die von Seseljs Radikaler Partei und Milosevics Sozialisten vertretene Bagage aus Nationalbolschewisten und Chauvinisten, ist das nur ein schwacher Trost.

So dürfte mit Djindjics Tod die kurze Phase der Demokratur in Serbien auch schon wieder zu Ende sein, die neben dem endgültigen Ausverkauf des von Milosevics Kriegen und zehn Jahren Wirtschaftsembargo gebeuteteln Landes einen historischen Moment lang zumindest den Ansatz einer zivilgesellschaftlichen Alternative aufscheinen ließ. Das mag nicht jedem einleuchten, aber für die Menschen, die Milosevic mit ihren Demonstrationen um die Macht brachten, könnte der Mord an Djindjic den Beginn einer neuen Repressionswelle bedeuten.