Schurken gegen Schurken

Polizeiaktionen in Serbien von alexander jovanovic

Die Ermordung des Premierministers Zoran Djindjic löste die größte Polizeiaktion aus, die Serbien jemals erlebt hat. Bis zum vergangenen Wochenende wurden bei Razzien und filmreifen Hetzjagden über 2 500 »Verdächtige« festgenommen, von denen knapp tausend eingesperrt blieben. Auch manche bisher unberührbar erscheinende Größe des kriminell-institutionellen Komplexes sitzt auf einmal im Knast. So wurden der ehemalige Chef der Geheimpolizei, Jovica Stanisic, und der Gründer der Polizeispezialeinheit Rote Barette, Franko Simatovic alias Frenki, verhaftet. Beide gelten als die grauen Eminenzen der Sicherheitsapparate, die mit mafiösen Kriegsprofiteuren verbunden sind, in deren Reihen das Attentat auf Djindjic geplant worden sein soll. Wie der noch flüchtige mutmaßliche Drahtzieher, Milorad Lukovic alias Legija, waren sie im Oktober 2000 zur damaligen Opposition um Djindjic gewechselt, mit dem sie in den vergangenen Monaten aber zunehmend aneinander geraten waren.

Zuweilen tragen die Polizeiaktionen jedoch kuriose Züge. So drang eine Spezialeinheit in die pompöse Kitschvilla der Königin des Turbofolks, Svetlana Ceca Raznjatovic, ein und nahm sie mit ins Gefängnis. Die Witwe des ermordeten Paramilitärführers Zeljko Raznjatovic alias Arkan soll mit Legija ein Verhältnis gehabt haben. Lächerlich machte sich die Polizei dagegen mit der versuchten Zertrümmerung des Hauptquartiers des verdächtigten Zemun-Clans. Zweimal zündeten die Experten Sprengladungen im Untergeschoss des noblen Gebäudekomplexes. Zweimal blieb die Festung stehen.

Lästern können die meisten Belgrader über dieses Versagen aber nur hinter vorgehaltener Hand. Der Ausnahmezustand trägt zunehmend repressive Züge auch gegenüber unbescholtenen Bürgern. Schwer bewaffnete maskierte Spezialtruppen verbreiten mit willkürlichen Personenkontrollen ein Gefühl der Bedrohung. Denn niemand weiß, wer hinter der Maske steckt. Kritische Medienberichte sind strikt untersagt. Wer sich nicht daran hält, wie die Tageszeitung Nacional und die Wochenschrift Identitet, wird verboten.

Der Qualm über der unzerstörbaren Festung des Zemun-Clans könnte am Ende als Metapher für die ganze Polizeiaktion stehen. Der vom Parlament bestimmte neue Premier Zoran Zivkovic, eine Art Djindjic ohne Doktortitel, wird zwar nicht müde zu betonen, er wolle die Mafia austrocknen. Andererseits sind es ausgerechnet der Chef der uniformierten Polizei, Sreten Lukic, und der Befehlshaber der Spezialtruppe Zandarmerija, Goran Gurij Radosavljevic, die jetzt schalten und walten können, wie sie wollen. Sie entstammen demselben Sumpf wie Stanisic, Frenki und Legija und sollen, wie diese, auf der geheimen Kriegsververbrecherliste des Tribunals in Den Haag stehen.

Mancher Beobachter sieht im großen Reinemachen denn auch eher eine Umorganisierung innerhalb der Mafiaclans. Wie beim Sturz Milosevics im Oktober 2000 werden einige Schurken gehängt, während andere die Lücke füllen. So fällt auf, dass unter den Verhafteten kein Mitglied des Surcin-Clans ist, der sich in den vergangenen Wochen eine heftige Schlacht mit den Jungs aus Zemun geliefert hatte.