Von Deutschen lernen

Die Geschichte und der Krieg von joachim rohloff

Unter all den Experten für Arabien, den Krieg und den Frieden, deren Urteile und Prognosen in diesen Tagen besonders gefragt sind, kam auch Walther Stützle wieder einmal zu Wort. Dieser Mann besitzt einen dual-use character, den er nach den Erfordernissen seines jeweiligen Amtes sowohl zu friedlichen als auch zu kriegerischen Zwecken einsetzen kann.

Ihn mit angemessenen Worten zu beschreiben, ist aus juristischen Gründen nicht ratsam. Sagen wir es deshalb so: Es gab eine Zeit, da gingen ihm die Uno und das Völkerrecht an jenem Körperteil vorbei, dessen Name metonymisch auch die ganze Person bezeichnen könnte.

Die Gemeinschaft der Staaten hieß damals Nato, es galt das Menschenrecht der Albaner im Kosovo, und der Minister Scharping musste einen Krieg führen. Sein Staatssekretär Stützle, der soeben noch das Friedensforschungsinstitut Sipri und die Redaktion des Tagesspiegel geleitet hatte, bewies im öffentlichen Fernsehen, dass er auch von der Kriegshetze etwas verstand. Was die anderen damals nur insinuierten, sprach er als Einziger aus: Milosevic wolle alle albanischen Kosovaren ermorden, alle ohne Ausnahme, Hunderttausende, bewaffnet oder unbewaffnet, Kind, Frau, Mann und Maus.

Damals galt es, man erinnert sich, ein zweites Auschwitz zu verhindern. Und worum geht es heute? Wenn es nach Stützle ginge, der in jungen Jahren der Gnade teilhaftig wurde, dass ihm die herrschende Meinung immer geradewegs einleuchtet und er sich nicht den leisesten Zwang antun muss, um sie zu seiner eigenen zu machen, ginge es selbstredend um die Uno und ums Völkerrecht.

Da es aber nach George Bush geht, beobachten wir mit Schrecken einen völkerrechtswidrigen Krieg. Man hätte doch die Inspektoren ihre Arbeit tun lassen sollen, wendet Stützle ein. Und wie man mit einem Diktator umzugehen habe, das hätten doch die Deutschen den Irakern vorgemacht. Äh, nein, nicht zwischen 1933 und 1945, sondern 1989.

Das ist das Schöne an der deutschen Geschichte: Alle Fragen, die irgendwann irgendwo auf der Welt gestellt werden, lassen sich beantworten, wenn man nur lange genug im deutschen Erfahrungsschatz wühlt. Milosevic war Hitler, er musste mit Waffengewalt am Völkermord gehindert werden, aber Saddam ist bloß Honecker, zu seinem Sturz reichen ein paar Montagsdemonstrationen. Wir sollten, die Welt sollte stolz sein auf die historische Weisheit der Deutschen.

So wie Günter Grass. »Ich kann sagen, dass mich die Ablehnung des jetzt begonnenen Präventivkrieges durch die Mehrheit der Bürger meines Landes ein wenig stolz auf Deutschland gemacht hat«, konnte er neulich sagen, als ihm wieder einmal ein Preis verliehen wurde. »Nach zwei von uns zu verantwortenden Weltkriegen mit verbrecherischen Folgen haben wir, was schwer genug fiel, aus der Geschichte gelernt und die uns erteilten Lektionen begriffen.« Und welches die verbrecherischen Folgen der beiden Weltkriege waren (Versailles und die Teilung?), werden die Historiker bei Gelegenheit auch noch herauskriegen.

Aber was haben die Amerikaner aus der Geschichte gelernt? Nichts. Sie haben nicht einmal eine Geschichte, sondern nur Hollywood.