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Nation Building

Afghanistan. »Wenn die Irakis Afghanistan als ein Beispiel dafür betrachten, wie sie befreit werden und der Wiederaufbau abläuft, werden sie nicht begeistert sein«, meint Zieba Shorish-Shamley von der Women’s Alliance for Peace and Human Rights in Afghanistan. Nur ein Bruchteil der versprochenen Hilfsgelder ist bislang eingetroffen, und außerhalb Kabuls regieren die Warlords. »Der Mangel an Sicherheit bedroht den Friedensprozess auf allen Ebenen«, berichteten Gesandte der UN dem Sicherheitsrat Ende März.

Vor allem in der Umgebung der ehemaligen Taliban-Hochburg Kandahar häufen sich die Angriffe, Ende März wurden zwei US-Soldaten und ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes getötet. In dieser Region scheinen die islamistischen Aufrufe zum Jihad auf Resonanz zu stoßen. Dort kämpfen die Milizionäre des Warlords Gul Agha Shirzai gemeinsam mit US-Special Forces gegen Taliban und al-Qaida-Mitglieder. Nach Angaben von Shirzais Sprecher Khalid Pashtoon beteiligen sich »sehr einfache, analphabetische Menschen« auf Seiten der Islamisten an den Gefechten.

Gleichheit für Weiße

USA. Ausnahmsweise ging es nicht um den Krieg, als am Dienstag der vergangenen Woche 50 000 Menschen vor dem Obersten Gerichtshof in Washington demonstrierten. An diesem Tag begann die Anhörung über die Frage, ob die University of Michigan berechtigt ist, den Faktor race bei der Einschreibung zu berücksichtigen, um Angehörigen so genannter ethnischer Minderheiten bessere Chancen zu gewähren. Ein Gruppe von Klägern, die von weißen Studenten und dem Center for Equal Opportunity bis zur US-Regierung reicht, bringt den Anspruch auf »Gleichheit« gegen das Universitätsstatut in Anschlag und bewertet dessen Regelungen als verfassungswidrig.

Die Demonstranten sehen die Anhörung als exemplarischen Angriff auf die Idee der affirmative action, der juristischen Bevorzugung gesellschaftlich benachteiligter Gruppen, die eine der wesentlichen Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre ist. Sie fürchten, der derzeit konservative Gerichtshof werde eine frühere Entscheidung, die affirmative action »unter den richtigen Umständen« als verfassungskonform wertete, zurücknehmen. Ein Urteil wird jedoch erst in einigen Monaten erwartet.

Subversive wider Willen

Argentinien. Ohne es zu wissen, haben die Einwohner von Buenos Aires letzte Woche über Nacht das gesamte Stadtgebiet mit Müllsäcken verbarrikadiert. Grund war ein Streikaufruf der Nationalen Transportarbeiter-Gewerkschaft FNC, dem sich spontan auch die städtische und private Müllabfuhr anschloss. Deren Forderung nach 100 Prozent mehr Lohn klingt kämpferisch, bedeutet aber kaum mehr als ein Inflationsausgleich.

Dennoch scheint die Gewerkschaftsführung Angst vor der eigenen Courage zu haben. Eilig erklärte der Gewerkschaftssprecher Héctor López den Streik noch am Tag der Ausrufung in der Hauptstadt für vorerst beendet, gleich darauf allerdings kündigte er einen »Streik auf unbestimmte Zeit« an. Von einem Ende des Streiks spricht auch die Stadtverwaltung, ermahnt die Einwohner aber gleichzeitig, vorerst keine Abfallsäcke mehr vor die Häuser zu stellen, da die Müllabfuhr bisher erst wieder wenige Stadtteile anfährt. Vielleicht aus gutem Grund. Am 27. April sind Präsidentschaftswahlen und der freie Zugang zur Wahlkabine liegt nicht zuletzt in den Händen der Müllabfuhr.

Überall Verschwörer

Kuba. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einem politischen Prozess um Meinungsdelikte, doch offiziell vorgeworfen wird den Angeklagten im ersten Verfahren gegen insgesamt fast 80 verhaftete regimekritische Journalisten und Bürgerrechtler, das am Donnerstag der vergangenen Woche in Havanna begann, Landesverrat. Für dieses Delikt kann eine lebenslange Haftstrafe verhängt werden. Etwa die Hälfte der Dissidenten sollen Anhänger des Varela-Projekts sein, einer christlich-pazifistischen Bewegung, die mittels Petitionen versucht, ein Referendum für mehr Bürgerrechte und private Wirtschaftsformen abzuhalten.

Diese Umtriebe hatte Castro schon im vergangenen Jahr mit einem Referendum torpediert: 99,25 Prozent der Kubaner hatten sich damals, im Widerspruch zur marxistischen Theorie, für eine »Verankerung des Sozialismus als ewige Staatsform« ausgesprochen. Die Toleranz gegenüber Oppositionellen war jedoch bislang relativ groß. Die ungewöhnlich hohe Zahl der Verhafteten könnte den Beginn von härteren Repressionen signalisieren.

Solomonisches Urteil

Solomonische Inseln. Wie viele Staaten umfasst die »Koalition der Willigen«, die den Irakkrieg der USA unterstützt? Unentschlossene Regierungschefs wie Sir Allan Kemakeza, der Premierminister der Solomonen, machen das Zählen schwer. Ende März hatte Kemakeza beklagt, seine Regierung sei gar nicht gefragt worden. Die Solomon Islands Broadcasting Commission allerdings berichtete, er habe zuvor einen Brief an Bush geschrieben und ihm Unterstützung angeboten. Am Donnerstag der vergangenen Woche konnte AFP dann vermelden, Kemakeza stehe fest an der Seite der USA.

Im CIA Factbook wird die Regierungsform der Solomonen als »zur Anarchie tendierende parlamentarische Demokratie« beurteilt, und zum Thema Militär heißt es schlicht: »keine regulären Streitkräfte«. Waffen sind jedoch im Umlauf, und unter den knapp 500 000 Einwohnern wurden in den vergangenen Jahren einige »ethnische« Konflikte gewaltsam ausgetragen. Für die Special Constables, die Milizionäre der Konfliktparteien, die derzeit im Rahmen eines UN-Programms demobilisiert werden, sieht der Abgeordnete Alfred Sasako nun eine neue Aufgabe: Sie sollen im Irak für Ruhe und Ordnung sorgen.