Dollar als Devise

Ging es im Irakkrieg auch um die Weltleitwährung? Dem Euro fehlt immer noch die militärische Unterstützung. von markus euskirchen

Der Beginn und der Verlauf des Irakkrieges haben den monatelangen Wertverlust des US-Dollar gegenüber dem Euro beendet. Kein Zufall, meinen einige Kriegsgegner und vermuten hierin ein besonderes Motiv der USA: einen Krieg zur militärischen Verteidigung des Dollar gegen den Vormarsch des Euro.

Amerikas Weltmacht beruht auf der Stellung des US-Dollar als Leitwährung. Das heißt, der Dollar ist auf der ganzen Welt anerkannt als Ausdruck kapitalistischen Reichtums. Weil er die Leitwährung ist, kann Amerika es sich leisten, permanent mehr Geld auszugeben als einzunehmen. Dies belegen das US-Staatsdefizit, das im laufenden Jahr rund 350 Milliarden Dollar erreichen wird sowie das Minus von etwa 480 Milliarden Dollar, das die USA jährlich im internationalen Handel erzielen.

Diese Defizite finanziert Amerika durch Verschuldung. Täglich muss sich das Land Milliarden ausländischen Kapitals borgen. Das funktioniert, weil die Nachfrage nach dem Dollar die USA schier unbegrenzt kreditwürdig macht. Grund für die Dominanz des US-Geldes ist nach Meinung der Kritiker, dass auf dem Weltölmarkt in Dollar abgerechnet wird. Jeder, der Öl kaufen will, muss sich Dollar besorgen. Das sichert der US-Devise eine permanente Nachfrage, so unsolide Amerika auch immer wirtschaftet.

Doch nun scheint ihre Dominanz ins Wanken zu geraten. Die USA verlieren permanent Anteile am Bruttosozialprodukt der Welt, weshalb europäische Politiker, Ökonomen und Journalisten halb hämisch, halb besorgt fragen: »Platzt nach der Aktien- auch die Dollar-Blase?« (Spiegel) Die Freiheit Amerikas, sich zu verschulden, scheint bedroht. Zudem hat der Börsencrash Milliarden fiktiven Dollar-Kapitals vernichtet. Gleichzeitig sei mit dem Euro ein echter Konkurrent erwachsen, der sich anschickt, die letzte Bastion des Dollar zu erstürmen: den Ölmarkt.

Nach Meinung der Kritiker war die Entscheidung des Irak vom November 2000, sein Öl künftig nicht mehr für Dollar, sondern für Euro zu verkaufen, eine bedrohliche Entwicklung für die US-Ökonomie. »Mit dem Euro-Umstieg läutete der Irak den Anfang vom Ende der Dollar-Hegemonie ein«, schreibt Tarik Ahmia. »Weitere Opec-Länder werden folgen. Ein währungspolitischer GAU für die USA wäre die Folge.« Amerika taumele in eine Schuldenfalle. Ihr Fazit: US-Präsident George W. Bush lässt im Irak Krieg führen, um die Abrechnung des Öls in Dollar zu erzwingen und so dessen Dominanz zu sichern. Also letztlich gegen den Euro, so argumentieren Behrooz Abdolvand und Matthias Adolf in den Blättern für deutsche und internationale Politik.

Tatsächlich basiert Amerikas Weltmacht auf dem Dollar – so wie die Dominanz des Dollar auf der US-Weltmacht beruht. Denn der Dollar ist der Kredit Amerikas. Er beschafft den USA die Mittel, ihre Hegemonie zu sichern. Und diese Hegemonie schafft umgekehrt rund um den Globus Vertrauen auf die Kreditwürdigkeit der USA, also Vertrauen auf die Qualität der amerikanischen Papiernote. Herrschaft des Dollar und Herrschaft der USA sind daher deckungsgleich. Was der einen nützt, nützt der anderen. Staatsgewalt und Ökonomie gehen in der Währung also ein inniges Verhältnis ein. Daher ist es richtig, aber auch banal zu sagen, der Grund des Irakkrieges sei der Dollar.

Banal ist die Begründung auch aus einem anderen Grund: Politik ist eben nicht nur national sondern auch international Währungs- und Geldwertstabilitätspolitik. Denn Währung ist ökonomischer Ausgangspunkt, Mittel und Ergebnis staatlicher Politik. Sie ist materialisierte Staatsmacht, Zugriff auf Reichtum, möglichst weltweit. Mit ihr zieht der Staat Kredit auf seine nationale Potenz. Sie ist Nationalkredit. Sie ist »Kaufkraft«, mit der Betonung auf »Kraft«. Im Heimatland hat die Zentralbanknote diese Kraft, weil der Staat auf seinem Territorium die Benutzung seiner Papierzettel per Gesetz erzwingt. Jenseits seiner Grenzen geht das nicht so einfach. Dort wird kritisch geprüft, was hinter der Wertbehauptung steckt, die der Papierzettel darstellt.

Um seine Euro-, Peso- oder Dollar-Noten wertstabil zu machen, führt ein Staat nur in Ausnahmefällen Krieg. In Friedenszeiten spannt er alle Menschen innerhalb seines Einzugsgebietes für diesen Zweck ein: Er lässt sie gegeneinander konkurrieren. Mit »Standortpolitik« zwingt er seine Bevölkerung dazu, aus dem bunt bedruckten Papierzettel eine rentable Anlage zu machen. Mit Lohnkürzungen, Senkung von Sozialleistungen oder höheren Leistungsanforderungen, kurz: mit der Rentabilisierung ihrer Bevölkerung zielen Staaten auf eine möglichst effiziente Kapitalverwertung, die ihre Währung begehrenswert und »hart« macht und so dem Staat ökonomische Macht verleiht.

Mittels der nationalen Standortpolitik übt das Papiergeld einen permanenten Zwang auf die Menschen aus, sich diszipliniert, leistungswillig und sparsam zu verhalten. So wird die Papiernote in Wert gesetzt, damit sich das Weltkapital in ihr anlegt.

Daher ist es richtig, das Geld an sich zu kritisieren, statt sich für eine stabile Weltfinanzordnung zu engagieren. Genau das aber macht eine Globalisierungs- und Devisenhandelskritik, die Amerikas unsolide Staatsfinanzierung kritisiert und mit dem US-Krieg gegen den Irak schon das überfällige Ende der weltweiten Dollar-Dominanz kommen sieht. Damit liegt sie allerdings falsch. Der Dollar ist nicht bedroht.

Klar, Amerikas Schulden steigen. Doch eine »natürliche« Verschuldungsgrenze gibt es nicht. Der Wert der Dollar-Schuldscheine hängt nur vom Vertrauen auf diese Zettel ab. Letztlich also vom Vertrauen der Finanzmärkte auf die politische, militärische und ökonomische Schlagkraft der USA. Und die wird nirgendwo grundsätzlich angezweifelt, nicht mal in Europa. Amerikas Schuldenberg lässt sich nämlich auch als Stärke des Dollars sehen. Als Anzeichen dafür, wie viel Kredit (also Vertrauen) die Finanzwelt der Supermacht entgegenbringt. Bush kann es sich leisten, ohne Rücksicht auf die prekäre Wirtschaftslage haufenweise Schuldscheine in die Welt zu setzen, um einen Krieg zu finanzieren. Er spricht ein Machtwort. Und nichts schafft so viel Vertrauen wie Autorität.

Weil der Dollar das Wertversprechen der autoritären Weltmacht ist, will ihn die ganze Welt auch so gerne haben. Auch die Ölstaaten, die zur Annahme von Dollars nicht gezwungen werden müssen. Umgekehrt ist es keineswegs allein seine Verwendung auf dem Ölmarkt, die dem Dollar seine Vorherrschaft sichert. Auch wenn das Öl als Hauptenergieträger, Roh- und Schmierstoff fast aller weiteren Produktion ein ganz besonderes Gut darstellt, erreicht der Weltölhandel mit 400 Milliarden Dollar jährlich nur sechs Prozent des gesamten Welthandels.

Zudem gibt es zum Dollar keine echte Alternative. Zwar soll der Euro dem US-Geld die Funktion einer Leitwährung streitig machen, was eine kleine ökonomische Kriegsansage Europas an die USA ist. Darauf hatte auch Saddam Hussein gesetzt, als er für irakisches Öl plötzlich Euro statt Dollar verlangte. Bislang aber ist der Erfolg des Euro bescheiden. »Er konnte die führende Stellung des Dollar nicht gefährden«, schreibt die Deutsche Bank mit leisem Bedauern in ihrer Schrift Euro: Bilanz nach vier Jahren. »Daran dürfte sich vorerst wenig ändern.«

Auf dem Weltmarkt wird weiter zu 80 Prozent in Dollar bezahlt. Auf dem Weltdevisenmarkt werden an einem einzigen Tag 1,4 Billionen Dollar umgesetzt. 68 Prozent aller Devisenreserven lauten auf Dollar. Das bedeutet: Fast die ganze Welt berechnet ihren Reichtum im US-Geld. Einen Dollar-Crash kann sich keiner leisten. Die Devisenreserven in Euro belaufen sich weiter auf nur 13 Prozent. Deshalb, schreibt die Deutsche Bank, habe der Euro nur das Erbe der D-Mark angetreten.

Als Fluchtwährung taugt der Euro nur begrenzt. Denn in Europa läuft die Kapitalakkumulation noch schlechter als in Amerika. Der Börsenkrach hat hier verhältnismäßig mehr Reichtum vernichtet als an den US-Börsen. Die Staatsschulden der Euro-Staaten sind im Verhältnis zu ihrem Bruttoinlandsprodukt größer als in Amerika.

Letztlich fehlt dem Euro-Land das Entscheidende: politische Macht übersetzt als Militärmacht, also die Fähigkeit, mit den USA auch kriegerisch zu konkurrieren. Wieso sollte die Welt übermäßig dem Kredit eines Staatenbundes vertrauen, hinter dem erstens keine einige Gewalt steht? Der zweitens besiegt werden kann? Und dessen friedlich-ökonomischer Erfolg drittens auf einer Weltordnung beruht, deren Bestand die Bomben Amerikas garantieren?

Die Deutsche Bank verliert die Hoffnung auf den Euro nicht: »Der Aufbau einer internationalen Rolle im Währungswettbewerb vollzieht sich langsam.« Dies zeige die »Ablösung des Pfund Sterling als Reservewährung Nummer eins durch den Dollar«. Für diese »Ablösung« allerdings waren ein bis zwei Weltkriege nötig. Das ist mitzudenken, während eine europäische Armee aufgebaut wird; während die Erhöhung der europäischen Rüstungshaushalte diskutiert wird; während ehemals nationale Rüstungsbetriebe auf EU-Ebene integriert werden – und während es US-Firmen gelingt, solche Firmen in Europa aufzukaufen.