LeserInnenworld

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Jungle World: allgemein

Keine Alternative, trotz allem

Traurig, dass ich mit Kritik auflaufen muss an einer Zeitung, von der ich mal sehr viel gehalten habe, mit der es aber seit längerer Zeit deutlich bergab geht, durch sexistische, schlechte Comics auf der noch nie witzig gewesenen Junk-Word-Seite und anderen Quatsch. »Mädchenworld« ist oberpeinlich, und auch OL wird immer lächerlicher und zynischer. Wenn Elke Wittich in ihren langweiligen Artikeln jemanden als den »typischen Kölner Schwulen« (16/03) bezeichnet, werden Erinnerungen an die homophobe Serie »Unser schwuler Bürgermeister« wach.

Von Ivo Bozic habe ich einige gute Artikel gelesen, aber sich über alte Leute lustig zu machen, ist ja wohl wirklich unterstes Niveau (17/03). Eine Abo-Kündigung steht z. Zt. nicht an, da es im politischen Bereich leider noch keine wöchentliche Alternative gibt. Diskussionen darüber zu verfolgen, ob die französische oder italienische Küche besser ist (30/31/02) oder mir von Tobias Rapp weismachen zu lassen, dass der Spinner Eminem einer der »größten Künstler der Gegenwart« sei (11/03), nervt. Seit ihr jetzt die linke Bravo? Macht die Zeitung von mir aus dünner, aber nehmt Junk Word und einige scheele Kurzartikel auf Seite 4 raus. Ich möchte euch gerne weiter so ernst nehmen, wie seit beinahe sechs Jahren.

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Jungle World, 17/03: »Krieg im Irak und Frieden mit dem System«

Keine materialistischen Linken

Die »antideutschen« Kriegsfreunde (Kriegstreiber sind sie nicht, denn ihr Reden ist in Washington – ungeachtet der Unterstützung durch das Flaggschiff des Möchtegernkarlkraus Gremliza – nicht von sonderlichem Einfluss) scheinen von der eigenwilligen Marxrezeption beseelt zu sein, eine Drittweltdemokratiefassade im Irak sei ein Meilenstein auf dem Weg in den Kommunismus. Noch skurriler ist ihre aufgeregte Gereiztheit. Als wäre von ihrem Einfluss auf uns verbohrt-kriegsverweigernden Kleckerlinken die Sicherheit Israels abhängig. Wie Ernst Lohoff zu recht anmerkt, entspringen ihre schrulligen Auslassungen einer puren Identitätsbehauptung jenseits aller Analysen der kapitalistischen Wirklichkeit. In der Kriegsfrage ist der Antideutsche interessant allenfalls als Musterbeispiel des antimaterialistischen Linken. Der ist stolz darauf, nie und nimmer in eigener Person ein Problem mit dem Kapitalismus zu haben (denn sonst stünde er womöglich als »Versager« da), und schwingt sich zum Fürsprecher der Enterbten und Entrechteten auf: Der Arbeiterklasse, des Trikonts der Juden, des Völkerrechts, der Mensch-/Tierheit, des historischen Fortschritts. Zwar vermag er damit niemanden so recht zu überzeugen, wenn er es überhaupt will. Ein exklusives Plätzchen im Konzert der Meinungen und Haltungen ist ihm jedoch gewiss.

klaus priesucha