Let’s rock!

Techno juckt nicht mehr, Rock ist jung. von andreas hartmann

The White Stripes und mit ihnen fünf Millionen weitere Gitarrenbands sind wieder so hip wie es vor drei Jahren noch der DJ aus Westlondon war. Rock lebt wieder. Yeah! Nicht weil er so geil wie nie ist, sondern weil die aktuelle elektronische Musik so öde ist.

Es geht wieder um all den endlich überwunden geglaubten Quatsch wie Authentizität, »leidenschaftliches Rocken«, ins Schlagzeug fallen, Band als Einheit beschwören, schimmlige Übungsräume mieten, Ozzy Osbourne, Frauen am Bass für eine gelungene Quotenregelung halten, Karohemden, geschwollene Venen, Bier ins Publikum schütten, Stagediven, Cowboygang kultivieren. Nicht, dass das alles jemals gänzlich verschwunden gewesen wäre, doch – Stichwort Postrock – bekämpft hat man es immerhin. Und nun gelten all die unappetitlichen Rock-Klischees, wenngleich sie gerne ironisch verbrämt werden, wieder als hip.

Warum ist das so und warum ist das zu Recht so? Weil Techno versagt hat. Raving Society, war da mal was? Techno hat es nicht geschafft, eine eigene Sprache mit eigener Syntax aus Bassdrum und 909 zu etablieren, die mir immer wieder neue Inhalte vermittelt. Deshalb will Techno auch nicht mehr Techno sein, sondern Pop. Das können Acts von Luke Slater bis Jörg Burger aka The Modernist bezeugen.

Techno hat sich nicht einmal selbst enthauptet, indem er komplett im Mainstream angekommen wäre, woraufhin man sich nach der Sitte der Thronfolge-Regelung auf die Suche nach einem neuen König hätte machen können. Techno begnügt sich mit seinem Selbstverständnis, eine komplett andere Subkultur als Rock zu bilden. Er hat sich zigfach ausdifferenziert, Click & Cuts und Micro-House und zig andere Subgenres etabliert, und eine elektronische Musikkultur geboren, die bunt und vielfältig und vor allem saturiert ist. Und genau das ist auch das Problem. All die hübsch durchdachten Elektronik-Labels mit ihren angestrengt konzipierten corporate identities und die ganzen Klitschen, die stets darauf bedacht sind, eine möglichst ähnlich klingende Frickel-Maxi nach der anderen zu veröffentlichen, sind vor allem eins: langweilig. Der neue Spießersound ist das zur Geste des Radikalen geronnene Zeug von Aphex Twin oder Autechre.

Das Stichwort, auf das sich die elektronische Musikkultur inzwischen vor allem einigen kann, ist also Pop. Melodien müssen sein, Vocals müssen sein, klebrige Synthies müssen sein, New Order muss sein. Techno hat also selbst keinen Bock mehr auf sich. Und wenn wir schon so weit gekommen sind, dann eben her mit dem Rock! Nicht weil Sex, Drugs & Rock’n’Roll doch besser waren, sondern weil dieser schrecklich etablierte Status quo der elektronischen Musikkultur endlich geknackt gehört. Für Freak-Out-Labels wie Rephlex oder Tigerbeat 6 soll jedoch auch in der neuen Rock-Welt Platz sein, solange diese weiterhin einen lassen auf Pop.

Dass Rock wieder angesagt ist, hat natürlich noch weitere Vorteile. Die Frauencombo The Donnas meinte jüngst, sie fänden es phantastisch, dass nunmehr weniger alte Säcke den Großteil ihres Publikums bildeten und wieder junge Hipster kämen. Außerdem bekommen heute DJs öfter dann ein »Bravo« zu hören, wenn sie nach Metro Area die Stooges auflegen, als wenn sie ihre Tools zu einer Endlosrille für die ganze Nacht zusammenmixen. Originelles Auflegen statt der Monotonie einer Fabrikhalle.

Extrem zu begrüßen ist auch, dass durch den Hype bizarrer Rock von Bands wie Black Dice, The House Of Fix oder Jackie-O Motherfucker nun mehr als die weltweit 79 Menschen interessiert, die sich in den goldenen Indie-Zeiten jede Single der Thinking Feelers Union Local 282 besorgt haben, einer Combo, deren Musik ähnlich klang wie ihr Bandname.

Rock ist also wieder jung und unerwartet erneut zur Verheißung geworden. Wo kein neues Drum & Bass in Sicht ist, muss es eben die Gitarre richten. Und nicht vergessen: alles muss zerstört werden!