Weg mit der Welt!

in die presse

»Wer die Welt verstehen will«, heißt es in einem recht hübsch formulierten Werbeslogan aus dem Hause Springer, »muss sie lesen.« Und zwar Die Welt und nicht etwa Le Monde oder so etwas Welsches. So kommt es, dass unsereiner so oft die Welt nicht mehr versteht. Man liest sie halt nicht.

Die Berliner Morgenpost will man ja auch nicht verstehen. Sonst würde man sie ja lesen, was auch genügte, ginge es nur darum, die Welt zu verstehen. Denn im Hause Springer, wo die Welt und die Berliner Morgenpost erscheinen, hat man vor gar nicht so langer Zeit für synergetische Effekte gesorgt.

Die Redaktion des defizitären Blattes mit dem eine globale Bedeutung behauptenden Großkotztitel wurde nämlich vor gar nicht langer Zeit mit der Redaktion des in seinem Namen die geballte Piefigkeit des westlichen Berlin recht fein ausdrückenden Blattes zusammengelegt.

Als die Welt und die Berliner Morgenpost sich zu diesem Schritt entschlossen, gab es Kritik. Wer über einen Verkehrsunfall in Zehlendorf unterrichtet werden wollte, so vermutete mancher, wolle nicht auch die gefürchteten Essays von Wolf Biermann lesen. Vielleicht glaubte die Chefredaktion der Welt ja damals solchen Mahnungen, jedenfalls trennte sie sich von Biermann. Sehr wohl kompatibel seien jedoch die Meldungen über Kita-Gebühren und die Leitartikel einer Mariam Lau.

Seit aber die Konkurrenten auf dem Markt des Lokalblattes, die Berliner Zeitung und der Tagesspiegel, fusionieren wollen, ist man bei Springer ganz aufgeregt. Der Vorstand droht damit, die Welt und die Berliner Morgenpost einzustellen. Doch Branchengerüchte behaupten, dass er nur die Tage nach dem 22. September 2005 vorbereite. Dann nämlich ist Axel Springer zwei Jahrzehnte unter der Erde, und er soll verfügt haben, dass die Welt nicht früher eingestellt werden darf.

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt darauf an, lange genug zu warten.

bruno engelin