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Operation Hindukusch

Verteidigungspolitische Richtlinien. Peter Struck (SPD) wird bald nicht mehr deutscher Verteidigungsminister sein, sondern internationaler Operationsminister. Die neuen »verteidigungspolitischen Richtlinien« (VPR), die am heutigen Mittwoch dem Bundeskabinett zur Kenntnis vorgelegt werden, sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die »Sicherheitslage grundlegend gewandelt« habe. »Ausschließlich für die herkömmliche Landesverteidigung gegen einen konventionellen Angreifer dienende Fähigkeiten werden angesichts des neuen internationalen Umfelds nicht mehr benötigt«, heißt es nach Angaben der Frankfurter Rundschau in den VPR. Stattdessen richte sich die Bundeswehr auf schnelle Einsätze überall in der Welt »bis hin zu Operationen mit hoher Intensität« ein.

Die Wehrpflicht soll dennoch erhalten bleiben, für alle Fälle. Denn die Weltlage kann sich ja auch wieder ändern. Bis auf weiteres bestimme allein »der politische Zweck (...) Ziel, Ort und Dauer des Einsatzes« der Bundeswehr. Diese Aussage lässt noch Schlimmeres vermuten als Strucks berühmt gewordener Satz aus dem vergangenen Dezember, dass Deutschland auch am Hindukusch verteidigt werde.

Andere Gerechtigkeit

SPD. In Abgrenzung zur früheren Maxime der Staatsräson, dem Handeln zum Wohle des Staates, wurde mit der Aufklärung die Gerechtigkeit zum höchsten politischen Prinzip erklärt. Gerechtigkeit zu erwirken und zu wahren, gilt seither als Hauptaufgabe eines Staates. Nun kann man sich darüber streiten, ob ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland willens oder in der Lage ist, diese Aufgabe zu erfüllen. Interessant wird es jedoch, wenn die Gerechtigkeit selbst zum Gegenstand der Diskussion wird.

Nach Informationen des Spiegel arbeite der Generalsekretär der SPD, Olaf Scholz, an einem neuen Gerechtigkeitsbegriff für seine Partei. »Zu größerer sozialer Gerechtigkeit wird der Sozialstaat in unveränderter Form immer weniger beitragen können«, heißt es in seinem Konzept. Wäre dieser Satz wahr, lautete der Schluss, der Sozialstaat müsse verändert werden, um zu größerer sozialer Gerechtigkeit zu gelangen. Scholz’ Suche nach einem »neuen Gerechtigkeitskriterium mit größerer Zukunftsträchtigkeit« lässt jedoch eher darauf schließen, dass in Zukunft als Sozialstaat verkauft werden könnte, was nicht das Geringste mehr damit zu tun hat.

Total offen

Attac. Zu einer »breiten und offenen Diskussion über Ursprünge, Hintergründe und Lösungsmöglichkeiten des Konflikts im Nahen Osten« lud Attac-Stuttgart am 10. Mai ein. Wie offen die globalisierungskritische Organisation ist, zeigt die Teilnahme des israelischen Journalisten Shraga Elam an dem Diskussionsforum. Elam, der in der Schweiz lebt, unterstützte den ehemaligen grünen Politiker Jamal Karsli bei dessen Klage wegen »Verleumdung und Ehrverletzung« gegen Paul Spiegel und Michel Friedman, den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Auch teilt er Karslis Ansicht über den zu großen Einfluss einer »zionistischen Lobby«.

Wie die Stuttgarter Friedensinitiative berichtete, lieferte Elam auf dieser Veranstaltung den deutschen Stammtischen wieder neues Material. Er habe die Politik Israels gegenüber Nichtjuden mit den Nürnberger Gesetzen gleichgesetzt, islamistische Selbstmordattentate mit der Bemerkung verharmlost, in Israel stürben mehr Menschen bei Verkehrsunfällen, und die Mitglieder des Zentralrats der Juden als »ungeheuerliche Bedrohung Deutschlands« und als »Kriegstreiber« diffamiert, die man »vor ein Kriegsgericht stellen« müsse.

Vier Jahre ohne Satan

Rechtsextremismus. Hendrik Möbus, als »Satansmörder« bekannt geworden, muss für vier Jahre ins Gefängnis. Dem 27jährigen wurden am 15. Mai vor dem Erfurter Landgericht Volksverhetzung, die Verunglimpfung Verstorbener und die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen vorgeworfen, teilte die Frankfurter Rundschau am 17. Mai mit.

Schon 1994 war Möbus mit zwei Mitschülern wegen Mordes an einem 15jährigen in Sondershausen (Thüringen) zu acht Jahren Haft verurteilt worden, er kam jedoch 1998 auf Bewährung frei und flüchtete in die USA. Dort beantragte er politisches Asyl, wurde aber vor zwei Jahren nach Deutschland abgeschoben. Zusammen mit seinem 31jährigen Bruder Ronald betrieb er seitdem den rechtsextremen Versandhandel »darker than black«, verkaufte rechtsextreme CDs, Kleidung, Bücher und Zeitschriften. Ronald Möbus, der bislang nicht vorbestraft war, erhielt zwei Jahre auf Bewährung.

Tödliche Zwangsmaßnahmen

Polizeiskandal. Fast ein Jahr nach dem Tod des Kölners Stefan N. ist ein rechtsmedizinisches Gutachten der Universität Heidelberg zu dem Ergebnis gekommen, dass »polizeiliche Zwangsmaßnahmen mitursächlich für den Tod« des 31jährigen gewesen sein könnten. Stefan N. wurde am 11. Mai 2002 in der Wohnung seiner Mutter von Kölner Polizeibeamten festgenommen, weil er angeblich randaliert hatte. Auf der Polizeiwache Eigelstein brach er zusammen und starb nach zwei Wochen Koma am 24. Mai. (Jungle World, 27/02 u.a.)

Nachdem zunächst seine starke Erregung und sein Cannabis-Konsum als Gründe für den Tod angeführt worden waren, beschuldigten schließlich zwei Kölner Polizeibeamte mehrere Kollegen, den Mann krankenhausreif geschlagen zu haben. Im bevorstehenden Hauptverfahren gegen sechs Polizisten im Alter von 25 bis 35 Jahren, das am 26. Juni in Köln beginnt, soll nun geklärt werden, ob Stefan N. auch ohne die »Zwangsmaßnahmen« zu Tode gekommen wäre.

Anlässlich des 1. Todestages von Stephan N. findet am 24. Mai in Köln eine Demonstration gegen Polizeigewalt statt. Treffpunkt: 13 Uhr am Chlodwigplatz.