Blauäugige Araber

Qualifikation zur Fußball-EM zwischen Dänemark und Norwegen

Fußball-Länderspiele zwischen benachbarten Staaten bieten neben der Möglichkeit des sportlichen Vergleichs noch einen weiteren nicht zu unterschätzenden Vorteil: Man kann sich in aller Ruhe sagen, was man wirklich voneinander hält.

In den letzten Wochen waren es vor allem Norweger und Dänen, die die wunderbare Gelegenheit erkannten und ausgiebig nutzten. Rein sportlich stand schließlich eine Menge auf dem Spiel: Der Sieger würde ausgezeichnete Chancen zur direkten Qualifikation zur EM haben. Daher musste zuvor ausgiebig gemobbt werden. Den Anfang machte die dänische Zeitung Berlingske Tidene. »Sie werden immer so herrlich sauer, wenn wir sie mal ein bisschen anbohren, diese blauäugigen Araber«, begann ein Artikel über den »süßen reichen Bruder, dessen Nationalsport die Schwarzbrennerei ist«.

Um Fußball ging es im weiteren Text nur ganz am Rande, wozu auch, denn schließlich »ist es eines der ganz großen letzten Geheimnisse des Universums, wie es Norwegen schaffte, überhaupt als würdiger Gegner der Kicker-Großmacht Dänemark angesehen zu werden«.

Nein, neidisch sei man überhaupt nicht auf das reiche Norwegen, »warum auch, denn wegen der Erdölfunde müssen wir wenigstens keine Entwicklungshilfe an unsere ehemalige Kolonie zahlen. Aber ist Geld wirklich alles? Macht es glücklich? War Alexis aus ›Denver-Clan‹ wirklich zufrieden?«

Nein, zumal die Norweger in praktisch jedem wichtigen Punkt außer Reichsein so klar versagen: »Ihre bevorzugte Sex-Stellung ist internationalen Erhebungen zufolge Rücken an Rücken, ihre nationalen Stars kennt außerhalb des Landes kein Mensch – und wenn doch, adoptieren wir sie schnell, ihr berühmtester Maler wurde durch eines der depressivsten Gemälde der Welt bekannt.«

Die norwegischen Medien konterten zunächst mit rein sportlichen Argumenten: Seit 1992 habe keine dänische Mannschaft mehr gegen das weiß-rot-blaue Team gewonnen, die ganze Hetze sei also in Wirklichkeit nur Ausdruck purer Angst und Verzweiflung. Und überhaupt, könne man ein Land ernst nehmen, »in dem so etwas wie Badminton Nationalsport ist«? Das zudem als einzige skandinavische Nation weder über eigene Elche – auf den letzten aus Schweden zugewanderten Geweihträger wurde in Dänemark zudem so miserabel aufgepasst, dass er nach wenigen Tagen Aufenthalt vor einen Schnellzug lief – noch über Mitternachtssonne verfüge? Und dessen einziger Beitrag zur Welt-Ernährungskultur eklige rote Würstchen und Tuborg-Bier sei?

Zudem seien die Dänen ja eigentlich nur neidisch darauf, dass es »eine eigene norwegische Identität« gebe, sie dagegen könnten genau so gut als »Reserve-Deutsche« durchgehen.

Und so hätte das gegenseitige Mobbing ewig weitergehen können, bis einem rechenkundigen Sportredakteur auffiel, dass das Qualifikationsspiel vielleicht doch nicht so wichtig sein würde, wie bislang angenommen. Jedes Team hätte selbst bei einer Niederlage noch Chancen. Damit können sich jetzt die Norweger trösten, das Spiel endete 1:0 für Dänemark.

elke wittich