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Abgestraft

Rumänien. Viel Ausdauer musste der Richter und ehemalige Staatsanwalt Alexandru Pantea aufbringen, um zu seinem Recht zu kommen. Vergangene Woche stimmte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seiner Klage zu und verurteilte den rumänischen Staat wegen Misshandlungen, die der Kläger 1994 während einer Haft erlitten hatte, zu 40 000 Euro Schadensersatz. 1995 hatte ein rumänisches Militärgericht eine Klage mit der Begründung abgewiesen, die Vorwürfe seien sowohl haltlos als auch verjährt. Der Jurist war in einem Gefängnis bei Craiova von Mitgefangenen zusammengeschlagen und 48 Stunden mit Handschellen unter seinem Bett gefesselt worden. Die Initiative ging den Angaben des Klägers zufolge von den Wächtern aus. Zudem waren ihm bei einer mehrtägigen Zugfahrt in ein Gefängniskrankenhaus Essen und Trinken sowie medizinische Versorgung verweigert worden. Das europäische Gericht entschied, die Behörden seien für die Misshandlungen mitverantwortlich, da die Wächter nicht einschritten und Pantea bei den gewalttätigen Mitgefangenen ließen. Außerdem habe es keine angemessene medizinische Betreuung gegeben.

Henne und Ei

EU-Grenzregime. Als im Somer 2000 in einem Kühlwagen im englischen Dover 58 tote Flüchtlinge gefunden wurden, war die Empörung in der europäischen Öffentlichkeit groß. Und die Schuldigen waren schnell ausgemacht: »menschenverachtende ausländische Schlepperbanden« nämlich. Die Flüchtlinge waren bei dem verzweifelten Versuch erstickt, mit Hilfe bezahlter Helfer illegal nach Großbritannien einzureisen. Vier mutmaßliche Mitglieder eines chinesischen Schmugglerrings stehen deswegen derzeit in Rotterdam vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, sie seien für die Umstände verantwortlich, die zum Tod der Flüchtlinge führten. Außerdem sollen sie die Flüchtlinge äußerst brutal behandelt haben. Die Staatsanwaltschaft forderte am Freitag der vergangenen Woche Gefängnisstrafen zwischen 18 Monaten und zehn Jahren. Die Verteidigung erklärte, es gebe keine Beweise für die Anklage.

Gezielt gestanden

Frankreich. Seit drei Wochen kursieren Meldungen, hochrangige französische Politiker, Richter und Polizisten seien in Vergewaltigungen und Morde verwickelt. Am Mittwoch der vergangenen Woche setzte Justizminister Dominique Perben den Generalstaatsanwalt von Toulouse, Jean Volff, ab, um »das Vertrauen auf die Justiz wieder herzustellen«. Ausgelöst hatte die Affäre Patrice Alegre, ein Mann, der im vergangenen Jahr wegen fünf Morden und sechs Vergewaltigungen zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden war. Jüngst gestand er zwei weitere Morde, die er im Auftrag des Präsidenten der Fernsehaufsichtsbehörde, Dominique Baudis, und des Staatsanwalts Marc Bourague begangen haben will. Die Ermordeten hätten Videoaufnahmen von Prominenten bei Sexspielen mit Minderjährigen besessen. Darauf wurden anscheinend Verfahren gegen Alegre, Volff, Baudis sowie mehrere Richter und Polizisten wegen »schwerer Fälle von Vergewaltigung und organisierter Zuhälterei« eröffnet. Die Beschuldigten sprechen von einer Diffamierungskampagne der Pornomafia. Baudis, ein Freund Jacques Chiracs, hat vor kurzem eine Kampagne für ein Verbot von Pornografie im Fernsehen gestartet.

Die Zeit drängt

EU-Verfassung. Schon wieder liegt ein überarbeiteter Entwurf der europäischen Verfassung auf dem Tisch. Nach den Vorschlägen, die der EU-Konventspräsident Valery Giscard d’Estaing am vergangenen Freitag präsentierte, soll zwar das Amt eines EU-Ratspräsidenten geschaffen werden, dessen Befugnisse aber sollen eingeschränkt bleiben. Das kommt den Forderungen der kleineren EU-Staaten entgegen. Zugleich sollen ab 2009 nur noch Vertreter von jeweils 15 Mitgliedsstaaten in der EU-Kommission sitzen. Das Gremium soll nach dem Rotationsprinzip besetzt werden, jene voraussichtlich elf Mitgliedsstaaten, die ihm gerade nicht angehören, sollen Beobachter ohne Stimmrecht entsenden können.

Um, wie Giscard d’Estaing sagt, eine »echte demokratische Legitimierung« zu erreichen, sollen ab 2009 im EU-Ministerrat Mehrheitsentscheidungen möglich sein, falls mehr als die Hälfte der EU-Staaten zustimmen, die mindestens 60 Prozent der EU-Bevölkerung vereinen müssen. Das Prinzip der »doppelten Mehrheit« war vor allem auf Drängen Deutschlands in den Vertrag von Nizza über die künftige Struktur der Union aufgenommen worden. Giscard d’Estaings Vorschläge bedeuten eine weitere Bevorteilung bevölkerungsreicher Mitgliedsstaaten. Der Konvent will in dieser Woche einen kompletten Entwurf der europäischen Verfassung verabschieden, der dem EU-Gipfel am 20. und 21. Juni in Thessaloniki vorgelegt werden soll.

Zu Hause kiffen!

Niederlande. Für gewöhnlich sind Nationalstaaten glücklich und stolz, wenn ihre Produkte die der ausländischen Konkurrenz ausstechen und sogar Touristen anlocken. Die niederländische Regierung zum Beispiel könnte stolz sein auf die heimische Grassorte Nederwiet, die besonders gut kickt und das touristische Angebot bereichert. Das aber findet die Anfang des Jahres neu gewählte Mitte-Rechts-Regierung gar nicht gut. Nach einer Studie enthält Nederwiet 8,6 Prozent THC, während es bei importierten Marihuanasorten nur rund fünf Prozent sind. Daher schlägt das Justizministerium nun vor, durch botanische Eingriffe den THC-Gehalt von Nederwiet zu senken. Außerdem erwägt das Ministerium, den Verkauf von so genannten weichen Drogen in den Coffeeshops einzuschränken. Der Verkauf und der Konsum von Cannabisprodukten ist in den Niederlanden seit den siebziger Jahren unter Auflagen erlaubt. Auslöser der amtlichen Überlegungen ist angeblich die »wachsende Verwirrung in den Nachbarstaaten über den Drogentourismus«.