Perú imposible

Krise in Peru von nils brock

Glaubt man den Statistiken der Weltbank, müssten die Peruaner ihrem Präsidenten Alejandro Toledo eigentlich sehr dankbar sein und womöglich tanzend durch die Straßen ziehen. Denn den offiziellen Zahlen zufolge ist Peru eines der hoffnungsvollsten Länder Lateinamerikas. Die Inflationsrate ist niedrig und für dieses Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent vorausgesagt.

Doch seit mehr als zwei Wochen demonstrieren mehr als eine Million Menschen gegen die Politik des einstigen Hoffnungsträgers. Der Präsident entschied sich, den Ausnahmezustand auszurufen. Es herrscht Demonstrationsverbot in Peru, durch die Städte patrouilliert das Militär.

Denn jenseits der Statistiken lässt sich feststellen, dass die neoliberale Wirtschaftspolitik, die Toledo autoritär durchzusetzen sucht, auf organisierten Widerstand bei der Bevölkerung trifft.

Nur so lässt sich erklären, dass sich ein Lehrerstreik in der Provinz binnen zweier Tage zu einer nationalen Protestbewegung ausweiten konnte. Nicht die hohe Analphabetenrate ist der Grund dafür, dass sich die Landbevölkerung mit den Pädagogen solidarisiert, es sind chronische Unterernährung und Hunger. Seit den Überschwemmungen im Januar, die Teile der Ernte vernichtet haben, hat sich die Lage noch einmal verschlechtert. Die Versprechen, die Toledo den Leuten damals vom Hubschrauber aus zurief, blieben unerfüllt. Stattdessen stiegen die Preise für Lebensmittel.

Zu spüren bekamen die Bauern außerdem die Privatisierungsmaßnahmen der Regierung, die eine der größten Einnahmequellen des peruanischen Staates sind. In diesem Jahr rechnet Finanzminister Silvia Ruete mit circa 400 Millionen US-Dollar, unter anderem durch Verkäufe in der staatlichen Wasserwirtschaft.

Auf Widerstand stieß Toledo schon einmal im letzten Jahr. Auch damals verhängte er den Ausnahmezustand, musste sich schließlich aber den Forderungen der Demonstranten beugen. Daraufhin zog der belgische Tractebel-Konzern sein Kaufangebot für die staatlichen Elektrizitätswerke zurück, da ihm der Standort zu unsicher erschien.

Zugeständnisse an die Bevölkerung kann sich Toledo diesmal nicht leisten. Das Haushaltsdefizit darf nicht größer werden, wenn auch weiterhin die Voraussetzungen für Kredite vom IWF und der Interamerikanischen Entwicklungsbank erfüllt werden sollen. Die Forderungen der Lehrer nach mehr Lohn passen da ebenso wenig ins Programm wie die der Bauern nach Einfuhrzöllen und einer niedrigeren Mehrwertsteuer.

Doch bisher verweigert der Präsident den direkten Dialog und hat lediglich eine Schlichtungskommission einberufen. Und er hat neuerlich angekündigt, sein Gehalt zu kürzen. Ein Zeichen, wie ernst es ihm mit dem Sparen ist. Diese Idee stammt von Alan Garcia, dem früheren Staatsoberhaupt und Vorsitzenden der Oppositionspartei Apra.

Dass Toledo mittlerweile dessen Ratschlägen folgt, ist vor allem der Schwächung der Regierungspartei Perú Posible geschuldet, die nach Austritten von Abgeordneten kaum mehr als ein Drittel der Sitze im Kongress hält. Parteiinterne Querelen haben außerdem Zweifel an den Führungsfähigkeiten Toledos aufkommen lassen. Und der Autoritätsverlust hat sich mit dem Ausnahmezustand eben nicht wettmachen lassen.

Die Menschenrechtsorganisation Aprodeh äußerte in der letzten Woche die Befürchtung, dass Peru einer tiefgreifenden Militarisierung entgegengeht. Peru könnte nach Venezuela zu einem weiteren Beispiel für das Scheitern eines sozialpopulistischen Präsidenten an der kapitalistischen Realität werden.