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Den Islamisten fehlen die Worte

Israel/palästinensische Gebiete. »Die Hoffnung auf einen Neubeginn, und sei es auch einen zögerlichen, hat sich nicht erfüllt«, meint die liberale israelische Tageszeitung Ha’aretz. In der Woche nach dem Gipfel in Aqaba starben 24 Israelis und 36 Palästinenser, die Abfolge von palästinensischen Attentaten und israelischen Militärschlägen wurde nicht unterbrochen. Die israelische Regierung besteht darauf, über ihre Reaktion auf palästinensische Anschläge unabhängig vom Fortgang der Verhandlungen zu entscheiden. Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde forderten die US-Regierung auf, Sharon von Angriffen in den palästinensischen Gebieten abzuhalten.

Israels Premierminister Ariel Sharon hat nun nach palästinensischen Angaben einen zunächst auf drei Tage befristeten und danach täglich erneuerbaren Waffenstillstand vorgeschlagen, dessen Voraussetzung allerdings eine Zusage der Hamas ist, auf Angriffe zu verzichten. Die Islamisten haben jedoch wiederholt, dass »das Wort Waffenstillstand nicht Teil unseres Vokabulars ist«, wie es ihr Führer Abdel Aziz Rantisi formulierte.

Steine für Ayatollahs

Iran. Die Parolen werden radikaler: »Tod Khamenei«, riefen Demonstranten in Teheran. Dem religiösen Führer gilt ihr besonderer Hass, doch auch Präsident Muhammad Khatami forderten sie zum Rücktritt auf, da seine Reformen vollends gescheitert seien. Viele Studenten befürworten sogar eine amerikanische Intervention. Auch wenn sie den Zielen der USA misstrauen, glauben sie nicht mehr, dass sie sich ohne ausländische Hilfe befreien können. Der religiöse Führer wittert denn auch den amerikanischen Satan hinter den Protesten.

Mehrere Tage lang lieferten sich Tausende Studenten in der iranischen Hauptstadt Straßenschlachten mit der Polizei und paramilitärischen Einheiten. Die Sicherheitskräfte waren damit beschäftigt, angezündete Barrikaden zu löschen und zu beseitigen. Vereinzelt sollen die Demonstranten auch Scheiben von Banken zerschlagen haben, während hunderte Mittelklassefamilien von entfernten Stadtteilen in ihren Autos Steine zu den Kampfplätzen transportierten. Mindestens 18 Personen wurden als Rädelsführer inhaftiert, die meisten der mehreren Dutzend Festgenommenen sollen wieder freigelassen worden sein.

Jahr des Mädchens

Ägypten. »Wir wollen die Mauer des Schweigens durchbrechen und einen nationalen Diskurs anregen«, erklärte die UN-Mitarbeiterin Dina El-Nagger. Die ägyptische Regierung plant gemeinsam mit der Uno, der Europäischen Kommission und zahlreichen NGO für Ende Juni eine Konferenz, um die Kampagne »Jahr des ägyptischen Mädchens« zu unterstützen und Aufklärungsarbeit zu leisten.

Die Kampagne soll die Beschneidungen von Mädchen bekämpfen, die nach offiziellen Angaben jährlich über 1 000 Tote fordern. »Es gibt eine große Verwirrung bei den Einzelnen, die sich weder der Herkunft dieses Rituals noch der gesundheitlichen, psychologischen und sozialen Konsequenzen bewusst sind«, sagt El-Nagger. Die Beschneidung von Mädchen, die auch von ägyptischen Christen praktiziert wird, ist keine religiöse, sondern eine patriarchale Tradition. Sie ist in Ägypten zwar seit sechs Jahren gesetzlich verboten, wird aber weiterhin praktiziert. Obwohl sich auch das ägyptische Ärztekomitee an der Kampagne beteiligt, führen viele Mediziner die Operation weiterhin illegal durch. Man schätzt, dass neun von zehn Mädchen vor ihrem zehnten Lebensjahr beschnitten werden.

Blick in die Zukunft

Kolumbien. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des internationalen Gewerkschaftsverbandes ICFTU belegt, dass von 213 im letzten Jahr ermordeten Gewerkschaftern allein 184 in Kolumbien getötet wurden. Neben Konzernen wie Nestlé oder Coca Cola, die ihre Firmenpolitik schon jahrzehntelang mit paramilitärischer Unterstützung betreiben (Jungle World, 32/00), greift dort auch der Staat immer häufiger zur Gewalt.

Auch der Verkauf von staatlichen Unternehmen wird oft mit den Mitteln der Repression ermöglicht. »Die Privatisierung stürzt das Land noch weiter ins Unglück«, kommentierte Carlos Diaz vom kolumbianischen Gewerkschaftsverband Cut den in der vergangenen Woche beschlossenen Verkauf der staatlichen Telekommunikationsfirma Telecom. Schon vier Tage vor der Schließung versperrten Militärs den Arbeitern den Eintritt zum Firmengelände. »Das lässt vermuten«, so Diaz weiter, »wie in Zukunft privatisiert wird.« Nach der Privatisierung der Telecom droht 10 000 Angestellten die Entlassung.

Unsanft geweckt

Chile. Die anfangs friedliche Besetzung eines leer stehenden Gebäudetrakts der staatlichen Indiobehörde Conadi in der Stadt Temuco wurde in der vergangenen Woche gewaltsam beendet. Unter dem Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern stürmten Spezialeinheiten der Polizei das Gebäude. »Scheißindios, Terroristen«, sollen die Polizeieinheiten skandiert haben, als sie die 29 Festgenommenen zur Wache abführten. Nach Berichten der Organisation Kolectivo Lientur wurden fünf Studenten »mittelschwer verletzt« und mussten in das örtliche Krankenhaus eingeliefert werden.

Der Leiter der Behörde Aroldo Cayun Anticura hatte etwa 80 Studenten, Angehörige der Mapucho-Indios, wegen Hausfriedensbruchs angezeigt, nachdem sie ihre Betten in den Büroräumen aufgestellt hatten. Sie wollten mit der Aktion auf ihre schlechte Wohnsituation aufmerksam machen und forderten die lange versprochenen neuen Quartiere. Wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt müssen die Verhafteten sich jetzt wahrscheinlich auch vor einem Militärtribunal verantworten.