Von einem, der ausritt

in die presse

Er lebt! Don Quijote de la Mancha, der Anhänger des großen Amadis von Gallien und Verehrer der edlen Dulcinea von Toboso, der mit seinem Schildknappen, dem tapferen und unerschütterlichen Sancho Pansa, durch die Welt zieht, gegen Windmühlen kämpft und für den Sieg der Gerechtigkeit und der Liebe sich das eine oder andere Mal kräftig verprügeln lässt, weilt unter uns!

Dieter Otten nennt er sich heute, und er ist Professor für Soziologie in Osnabrück. Aber nicht Sidi Hamét Benengeli erzählt uns von ihm, Otten schreibt selbst nieder, was er denkt und woran er glaubt, und zwar in dem evangelischen Magazin Chrismon. In der aktuellen Ausgabe warnt er, dass ohne die Moral der Frauen die Demokratie in Gefahr sei. Fürwahr, denn Männer glänzten vor allem durch »schlechte Leistungen, schleichende Erziehungsausfälle, sinkende Motivation, fehlende Leistungsethik«, ja durch ihren kulturellen »Verfall«. Für Otten lautet die Frage: »Wie lernen Männer, sich an Regeln zu halten, obwohl sie es nicht müssen?«

Aber selbstverständlich hat der moderne Ritter von der traurigen Gestalt eine Idee, wie die Männer und die Demokratie gerettet werden könnten. Ein Leitbild müsse her, und wenn es ein »erfolgreiches Männerleitbild« gebe, »dann den ›christlichen Ritter‹«. Otten fährt fort: »Rittertum war immer offene Anleitung zur Selbstmoralisierung für freie, selbstbewusste Männer, für trainierte Profis und Krieger – nicht etwa für Weicheier.« Dieses »Zivilisationsmodell für raubeinige Haudegen« vermittle die »Tugenden der Tafelrunde«: die Selbstbescheidung, die Beständigkeit, die rachelose Mildtätigkeit, die Selbstbeherrschung und die »Minne«.

»Warum aus außereuropäischen Kulturen importieren, wenn man die eigenen Wurzeln kultivieren kann?« fragt Otten. »Diese Wurzeln benötigen vielleicht nur ein zeitgemäßes demokratisches Treibhaus.« Heiß wie in einem Treibhaus scheint es auch in Ottens Arbeitszimmer in Osnabrück gewesen zu sein, als er diese heitere Eloge niederschrieb, die ihm zu ewiglichem ritterlichen Ruhm verhelfen wird.

josé maragosa