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Fischers Feiertag

EU-Verfassung. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer sprach von einer »Stärkung der europäischen Demokratie«, als am Donnerstag vergangener Woche der Europäische Konvent in Brüssel den Entwurf einer europäischen Verfassung vorlegte. Fast eineinhalb Jahre hatten die 105 Konventsmitglieder unter der Führung des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing über den zukünftigen Verfassungsvertrag der EU beraten.

Außer der Demokratie wurden auch Fischers Hoffnungen gestärkt, eines Tages sein derzeitiges Amt zu Gunsten eines noch wichtigeren Jobs aufgeben zu können. Denn neben gemeinsamen militärischen Einrichtungen wie der einer zwischenstaatlichen Rüstungsagentur sieht die Verfassung das Amt eines europäischen Außenministers vor.

Auch die zukünftigen Symbole der EU wurden in dem Entwurf benannt. Der Euro, die blaue EU-Flagge und die »Ode an die Freude« aus Ludwig van Beethovens neunter Symphonie als europäische Hymne bekommen Verfassungsrang. Der 9. Mai soll als europäischer Feiertag begangen werden, weil an diesem Tag im Jahr 1950 der damalige französische Außenminister Robert Schumann das Konzept für ein vereintes Europa vorgestellt hatte. Und wer künftig »Einig durch Vielfalt« hört oder liest, dem muss dazu Europa einfallen.

Kulturloses Volk

Frankreich. Das Theatertreffen in Avignon? Abgesagt. Das Opernfestival in Aix-en-Provence? Abgesagt. Der andauernde Streik der französischen Bühnenkünstler macht es möglich.

»Ich will mich von Gewerkschaften nicht herumkommandieren lassen«, sagte der Direktor des Festivals in Avignon, Bernard Faivre d’Arcier. »Die Organisation des Festivals unter dem Druck eines Streiks ist unmöglich«, sagte er Le Monde. Der Direktor des Opernfestes in Aix-en-Provence, Stéphane Lissner, sagte dem Fernsehsender France 2, er wolle kein Festival unter Polizeischutz. Zuvor war es zu Ausschreitungen gekommen, nachdem Streikende mit Rufen und Knallfröschen eine Aufführung der Verdi-Oper »La Traviata« gestört hatten.

Dass der Parteivorsitzende der deutschen FDP die Franzosen zu einem Marsch auf die Bastille gegen die Streikenden aufgerufen und die Einrichtung eines Wohlfahrtsausschusses zur Lösung der Probleme des Landes gefordert haben soll, konnte nicht bestätigt werden.

Sicher loswerden

Deutschland. Infolge des gewaltsamen Todes des sudanesischen Abschiebehäftlings Aamir Ageeb vor vier Jahren forderten Flüchtlings- und andere Initiativen wiederholt Konsequenzen von den zuständigen Behörden und der Lufthansa. Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) hatten dem Mann, der sich gegen seine Abschiebung aus Deutschland zur Wehr setzte, einen Motorradhelm übergestülpt und seinen Kopf auf die Oberschenkel gedrückt, so dass er erstickte.

Nun ist es soweit. Wie die Bild am Sonntag berichtete, hat der BGS einen Weg gefunden, rufschädigende Vorfälle dieser Art künftig zu vermeiden: Er setzt einen neuen »Kopf- und Bissschutz« bei Häftlingen ein, die nicht abgeschoben werden wollen. Der neue Helm verfügt über Luftlöcher im Kopfbereich und einen Kinn- und Beißschutz und ist ohne Visier und Riemen. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, der Helm sei »technisch so beschaffen, dass beim Rückzuführenden Eigenschutz, körperliche Unversehrtheit und Gesundheit bewahrt bleiben«. Bis er oder sie am Zielort ankommt.

Irrgang des Monats

Deutschland. Nicht nur die Strafverfolgungsbehörden, auch der deutsche Verfassungsschutz hat es auf die globalisierungskritische Bewegung abgesehen. Dies gab der Direktor des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Lutz Irrgang, einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge zu. Seiner Meinung nach gewännen in der Bewegung »Extremisten« immer mehr Einfluss. Zwar sei die Bedeutung »gewaltbereiter Autonomer« kleiner geworden, dafür spielten »revolutionär-marxistische Organisationen und Parteien« eine stärkere Rolle. Vor allem die Organisation Linksruck und der PDS-Jugendverband Solid sollten sich hier angesprochen fühlen. Die Kapitalisten in aller Welt, mindestens aber in Hessen, zittern.

Irrgang, der CDU-Mitglied ist, hält die Globalisierungskritik für »ein Vehikel, linksextremistisches Gedankengut wieder salonfähig zu machen«. Er glaubt: »Der Marxismus hat es schlicht nicht ertragen, dass der Liberalismus ihn überlebt hat.«

Geht es nach ihm, wird der Liberalismus, vor allem der wirtschaftliche, demnächst zur einzigen legitimen Staatsform erhoben. Denn Extremismus beginne bereits mit der Kritik an der Marktwirtschaft. »Eine pluralistische Gesellschaft setzt eine liberale Wirtschaftsordnung voraus«, glaubt Irrgang. Pluralismus ist, wenn alle Irrgangs Meinung sind.

Verbotene Liebe

Großbritannien. Britischen Pendants zur Bravo stehen schlechte Zeiten bevor. Die Erörterung von Teenie-Problemen – dass es mit dem Orgasmus nicht recht klappen will oder eine Schwangerschaft durchs Küssen befürchtet wird – kann künftig nur noch klandestin, also unter der Ladentheke, erfolgen. Denn es geht um verbotene Handlungen.

In der kommenden Woche wird sich das britische Parlament mit einem Gesetzentwurf befassen, der Jugendlichen unter 16 Jahren jegliche sexuelle Handlung verbietet. Der absurde Vorschlag wird mit dem Argument gerechtfertigt, dass die Jugendlichen dadurch nicht nur vor sexuellem Missbrauch durch Erwachsene, sondern auch durch Gleichaltrige geschützt seien. Nach Protesten der Family Planning Association schränkte eine Sprecherin des Innenministeriums ein: Es sei unwahrscheinlich, dass Jugendliche, die gemeinsam Spaß bei der Sache hätten, strafrechtlich verfolgt würden. Denn das sei nicht im öffentlichen Interesse.