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Der Adel kommt

Benes-Dekrete. Es bleibt dabei: Führende tschechische Politiker lehnen es ab, Entschädigungen für Eigentum auszuzahlen, das aufgrund der Benes-Dekrete konfisziert wurde. Darauf einigten sich Präsident Vaclav Klaus, Ministerpräsident Vladimir Spidla sowie die Vorsitzenden beider Parlamentskammern bei einem Treffen am vergangenen Mittwoch. Im Anschluss verkündeten die Teilnehmer, »dass der im Laufe der neunziger Jahre erreichte gesellschaftliche Konsens« im Umgang mit den Enteignungen »nach wie vor gültig« und »außerordentlich brüchig« sei. Anlass sind die Klagen des in Argentinien lebenden Frantisek Oldrich Kinsky. Der Spross eines böhmischen Adelsgeschlechts fordert die Rückgabe von Immobilien und Grundstücken im Wert von etwa 1,3 Milliarden Euro. Er hatte 157 Klagen eingereicht und bereits einige für sich entschieden. Kinskys Vater starb 1938, er selbst war bei Kriegsende neun Jahre alt. Seine Anwälte argumentieren, er habe sein Eigentum formal nie verloren und könne als Kind kein Nazi-Kollaborateur gewesen sein. Eine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten hatten die Dekrete als Voraussetzung für eine Enteignung vorgesehen. Die Urteile zu Gunsten Kinskys hatten Politiker dennoch als »Bruch der Dekrete« bezeichnet und einen gesetzlichen Schutz der Enteignungen gefordert, der nun folgen soll. Dabei wäre die Sache einfach: Auch ohne Kollaboration und Benes-Dekrete bleibt die Enteignung feudaler Gutsherren ein fortschrittlicher Akt.

Kleiner, höher, weiter

Armeereform. Auch das Verteidigungsministerium muss sparen. Nach den Plänen, die der zuständige Minister, Miroslav Kostelka, vergangene Woche präsentierte, soll die Armee künftig nur 23 000 professionelle Soldaten und 7 000 zivile Beschäftigte umfassen. Zudem will man eine Reihe von Garnisonen dicht machen. Die bereits beschlossene Abschaffung der Wehrpflicht werde sich jedoch auf Ende 2006 verschieben. Kostelkas Vorgänger Jaroslav Tvrdik war im Juni zurückgetreten, weil er die Kürzungen nicht verantworten wollte. Bislang besteht die tschechische Armee aus 64 000 Soldaten. Zugleich beschloss die Regierung, für die Verteidigung des tschechischen Luftraums in Zukunft Überschallflugzeuge auszuleihen. Da momentan außer den Revanchistenverbänden keine anderen potenziellen Feinde in Sicht sind, will sich Tschechien mit bis zu 400 Soldaten, Militärpolizisten und Sanitätern an der multinationalen Truppe im Südirak beteiligen, wie das Parlament am Dienstag beschloss. Der von Großbritannien angeführten Truppe sollen außer Tschechen noch Soldaten aus Dänemark, den Niederlanden, Italien, Norwegen, Portugal, Rumänien, Neuseeland und Litauen angehören.

Lidl macht’s billiger

Deutsch-tschechisches Business. Die Lebenshaltungskosten ein wenig senken und damit der Regierung helfen, wer kann das schon? Na wer wohl, der Investor. Der heißt zum Beispiel Lidl und hat kürzlich auf einen Schlag 14 Filialen in der Tschechischen Republik eröffnet. Der Discounter aus Neckarsulm ist nicht allein. Der dem Wirtschaftsministerium nahe stehenden Agentur CzechInvest zufolge kamen seit 1993 mehr als 30 Milliarden Dollar – ein Drittel aller ausländischen Investitionen – aus Deutschland, das auch der mit Abstand wichtigste Außenhandelspartner ist. Fast 40 Prozent aller tschechischen Exporte entfallen auf Deutschland, ebenso hoch ist der deutsche Anteil an den tschechischen Importen. Jetzt also Lidl. Das Unternehmen, das in 16 Ländern einen Umsatz von über zwanzig Milliarden Euro erzielt, verfügt über das größte Filialnetz aller europäischen Discounter und will es weiter verdichten. Schließlich sinkt auf dem gesamten Kontinent die Massenkaufkraft.

Die Deutschen bleiben weg

Tourismus. Die Strukturkrise in Deutschland, der Irakkrieg und die Lungenkrankheit Sars sind nach Angaben des tschechischen Tourismusverbands dafür verantwortlich, dass weniger Gäste ins Land kommen. Bereits im vergangenen Jahr seien die Deviseneinnahmen wegen des Hochwassers von 3,5 (2001) auf 3,1 Milliarden Euro gesunken, sagte der Verbandsvorsitzende, David Gladis, der Tageszeitung Pravo. 2003 drohe noch schlechter zu werden. Allerdings seien teilweise auch seine Landsleute mitverantwortlich. So hätten viele Touristen den Eindruck, von Taxifahrern übers Ohr gehauen zu werden.

Haider sagt ja, Stoiber auch

EU-Beitritt. Am Dienstag der vergangenen Woche beschloss das österreichische Parlament einstimmig das so genannte Ermächtigungsgesetz zur EU-Erweiterung, eine verfassungsrechtliche Grundlage für deren Ratifizierung, die im Herbst folgen soll. Noch vor einigen Monaten hatte der amtierende FPÖ-Vorsitzende und Vizekanzler Herbert Haupt damit gedroht, seine Partei werde gegen die Ost-Erweiterung stimmen, solange Tschechien die Benes-Dekrete nicht abschaffe und das grenznahe Atomkraftwerk Temelin nicht schließe. Zugleich wurde mit den Stimmen der schwarz-blauen Regierungsmehrheit ein Antrag beschlossen, der die tschechische Regierung ersucht, bis zur Ratifizierung des Erweiterungsvertrages sicherzustellen, dass »über die Frage der Vertreibung der Sudetendeutschen unter Einbindung der betroffenen Interessensvertretungen eine menschenrechtskonforme Lösung« erzielt werde. Einfacher ging es in Deutschland. Nach dem Bundestag ratifizierte am Freitag der vergangenen Woche auch der Bundesrat die Erweiterung der EU um zehn Staaten und die der Nato um sieben ost- und südeuropäischen Staaten. Auch Bayern stimmte zu.