»Getrunken wird immer«

Klaus Malinowsky

Bier, Schnaps, Wein – alles was rein geht. Nur in vier Ländern der Welt wird noch mehr Alkohol getrunken als in Deutschland. Aber bleibt das auch so, wenn es den Deutschen wirtschaftlich schlechter geht? Oder trinken sie in der ökonomischen Krise umso mehr?

Das müsste doch eigentlich der Betriebsleiter von Wodka Gorbatschow wissen. Die weltweit einzige Produktionsstätte liegt in Berlin, 13 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Die Firma gehört zur Unternehmensgruppe Henkell & Söhnlein. Mit Klaus Malinowsky sprach Maik Söhler

Ist Ihr Job sicher?

Eigentlich ja. Richtig sicher ist heutzutage natürlich nichts mehr. Aber gegessen und getrunken wird immer, weil einfach jeder essen und trinken muss. Der Lebensmittelbereich ist also zumindest theoretisch nicht so anfällig, das macht den Arbeitsplatz recht sicher. Aber es gibt auch in dieser Branche einen Konzentrationsprozess, immer mehr Betriebe werden zugemacht, einige wenige große Unternehmen bleiben übrig.

Wie ist der Absatz von Wodka Gorbatschow zurzeit?

Das letzte Jahr war bisher das beste überhaupt für Wodka Gorbatschow, und der Januar dieses Jahres war auch noch ganz ordentlich. Auf lange Sicht ist der Absatz in den letzten zehn Jahren ziemlich stabil. Wir sind mit 40 Prozent Marktanteilen in unserem Bereich führend und produzieren 17 bis 19 Millionen Flaschen pro Jahr. Es gibt eine leicht positive Tendenz.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Wodkaabsatz und der ökonomischen Krise in Deutschland? Wurde in den letzten Monaten mehr oder weniger getrunken als sonst?

Es gibt einen relativ konstanten Alkoholkonsum in Deutschland, er liegt seit zwei, drei Jahren bei etwa 5,9 Litern reinem Alkohol pro Jahr und Kopf. Im Jahr 2003 wird er voraussichtlich um 0,1 Liter höher liegen. Sie sehen, auch hier gibt es einen leichten Anstieg.

Liegt das wirklich an der Krise? Viele Leute, die ihre Arbeit verlieren, haben mehr Zeit und weniger Geld. Heben sich diese beiden Faktoren nicht einfach gegenseitig auf?

Die Marken, die preislich etwas höher liegen, haben gewisse Einbußen zu verzeichnen, sie gelten als Luxus. Intensivverwender, sprich: Alkoholiker, bevorzugen Billigsegmente wie Bier und billige Schnäpse, also Goldbrand oder Klare mit 30 Prozent vol. Sie sind wegen des geringeren Alkoholgehalts und der niedrigeren Alkoholsteuer billiger.

Diese Massenware, die bei Lidl, Aldi und anderen angeboten wird, wird dem Käufer in schlechten Zeiten natürlich besonders schmackhaft gemacht. Davon wird mehr gekauft und getrunken. Die so genannten Goldbrände, preisgünstige Weinbrandverschnitte aus der ehemaligen DDR, verkaufen sich zurzeit sicher sehr gut. Die klassischen Weinbrände haben hingegen in der letzten Zeit jeweils etwa zehn Prozent pro Jahr verloren.

Beim Wodka Gorbatschow ist das wiederum anders. Er gehört zum mittleren Preissegment, ist also wesentlich teurer als all die Billigmarken, und gilt eher als Genussmittel, vor allem, wenn die Zeiten schlechter werden. Viele müssen zwar sparen, aber auf so manche Genussmittel möchte man schließlich doch nicht verzichten.

Überlegen Sie, die Preise deswegen zu senken?

Im Gegenteil. Wir erhöhen alle ein, zwei Jahre mal wieder die Preise, zuletzt haben wir das im Dezember getan. Zum einen, damit wir nicht als Billigware verramscht werden, denn das bringt auf Dauer nichts. Zum anderen, weil wir einen großen Werbeetat mit hohen Kosten haben. Wegen der Preiserhöhungen hat man zwar anfangs Verluste, doch wegen der Werbung bleibt der Absatz letztlich fast immer konstant.

Gibt es auch politische Ereignisse, die einen spürbar höheren oder niedrigeren Wodkakonsum zur Folge haben?

Das geht schon beim Dosenpfand los. Wir haben ein Wodka-Lemon in der Dose im Angebot und sind deswegen auch seit Beginn des Jahres von den Pflichtpfandregelungen betroffen. Wir wollten zuerst auf eine Flasche umsteigen, aber nach kurzer Zeit hieß es aus der Politik, die Flaschen müssten auch bepfandet werden. Also mussten wir die Pläne erstmal einstampfen und abwarten, was die Regierung unternimmt.

Außerdem hatte auf jeden Fall der Irakkrieg einen Einfluss auf unsere Lage. Im Februar und März, als die politische Lage angespannt und unübersichtlich war, ging der Umsatz deutlich zurück. Seit April aber, als sich die Situation im Irak zu klären begann, stieg der Umsatz wieder, und spätestens seit Mai sind unsere Verkaufszahlen wieder völlig stabil.

Also wird die Angst vor dem Krieg nicht mit Alkohol bekämpft.

Es liegt wohl daran, dass die Leute insgesamt weniger gekauft haben, ihr Geld zusammengehalten haben, weil sie abwarten wollten, was geschieht. Es war in Deutschland wegen der weltpolitischen Lage nicht ganz klar, was passiert und ob es einen selbst auch irgendwie betrifft. Die Amerikaner hätten ja die Importe beschränken können, es hätte deswegen noch mehr Arbeitslose geben können usw. Aber wie gesagt, jetzt läuft es wieder.

Hat das auch mit dem Sommer zu tun? Ist Wodka ein Saisongetränk?

Ein Saisongetränk ist der Wodka auf jeden Fall, ein Sommergetränk nur bedingt. Denn wegen der Ferienzeit ist dann öfter mal eine kleine Flaute zu spüren. Da der Sommer aber Cocktailzeit ist und Wodka oft als Cocktail getrunken wird, ist der Umsatz so schlecht auch wieder nicht. Trotzdem gilt, dass der Umsatz steigt, wenn es regnerisch und kalt ist. Die beste Zeit für uns sind die letzten Wochen vor Weihnachten und die Tage vor Silvester. An anderen Feiertagen wie Ostern ist es bei uns eher ruhig.

Wo in Deutschland wird denn am meisten Wodka getrunken? Und wer sind Ihre Kunden?

Den meisten Wodka trinken die Leute in den neuen Bundesländern, das ist ganz deutlich. Dann folgen die nördlichen Länder im Westen, der Klare gehört dort zur Tradition. Süddeutschland ist eher eine Obstbrandregion. Wodka wird trotzdem überregional geschätzt. Er ist in den letzten Jahren zu einem Kultgetränk geworden, weil er recht klar und sauber ist und im Vergleich zu anderen alkoholhaltigen Getränken nur selten Kopfschmerzen hinterlässt.

Die Zielgruppe setzt sich hauptsächlich aus 30- bis 50jährigen Männern zusammen, da der Alkoholgehalt mit 37,5 Prozent vol. recht hoch ist. Viele Frauen trinken lieber niedrigprozentige Liköre, Jüngere ziehen oft Tequila, Cachaca und ähnliches vor. Unsere Zielgruppe konsumiert traditionsbewusst: Weinbrand, Korn, Magenbitter und natürlich Wodka.

Trinken Sie selbst noch Wodka?

Ich bin im Betrieb eine von zwei Personen, die für die Qualität zuständig sind. Das heißt, wir müssen täglich die Tankware und die Fertigware kontrollieren, sodass ein gleichmäßiger Standard gewährleistet ist.

Ich bin auch Prüfer der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft für Spirituosen, und da lernt man es, richtig zu trinken. Ein kleiner Schluck reicht aus, um zu wissen, ob mit der Qualität alles in Ordnung ist. Wir haben auch spezielle Einrichtungen bei uns, die die Trinkproben reduzieren. Und je mehr Erfahrung man hat, desto weniger muss man trinken. Ich komme auf nicht mehr als 20 oder 30 Milliliter pro Arbeitstag.

Und privat?

Ich trinke gerne Caipirinha und Mojito auf Wodkabasis.