Hervorragender Charakter

Nach jahrelanger Unterbrechung nimmt Israel wieder diplomatische Beziehungen zu Österreich auf. von simone dinah hartmann, tel aviv

Die Kommentare zu der überraschenden Nachricht wird der israelische Außenminister Silvan Shalom wohl nicht mehr zur Kenntnis genommen haben. Vielleicht hätte er die Entscheidung seiner Regierung, wieder volle diplomatische Beziehungen mit Österreich aufzunehmen, noch einmal in Frage gestellt. »Die Israelis sind ärger als die Nazis.« Diese Aussage gehört noch zu den harmloseren unter denen, die derzeit in Hunderten von Briefen und E-Mails, etwa in der Wiener Boulevardzeitung Kurier, zu lesen sind.

Dreieinhalb Jahre nachdem Israel seinen Botschafter wegen der Regierungsbeteiligung der rechtsextremen Freiheitlichen Partei Jörg Haiders zurückgezogen hatte, verkündeten Shalom und seine österreichische Kollegin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern wieder aufzunehmen. Sie sei glücklich darüber, dass nun die Beziehungen mit Israel endlich »normalisiert« werden könnten und dieses »unglückliche Kapitel« geschlossen werde, sagte Ferrero-Waldner Ende Juli in Jerusalem.

Es war nicht das erste Mal, dass Israel diplomatische Maßnahmen ergriff, um gegen die politische Entwicklung in Österreich zu protestieren. Als 1986 Kurt Waldheim, ehemaliges Mitglied der SA-Reiterstandarte und des NS-Studentenbundes, zum Bundespräsidenten gewählt wurde, stufte Israel seine diplomatische Mission in Wien auf die Ebene eines Geschäftsträgers herab. Erst sechs Jahre später, mit dem Ende der Amtszeit Waldheims, wurde wieder ein Botschafter entsandt.

In Österreich werden hingegen die schon seit jeher wechselhaften Beziehungen schöngeredet. »Die Wiederbestellung eines israelischen Botschafters in Wien entspricht der Bedeutung und dem traditionell engen und hervorragenden Charakter unserer bilateralen Beziehungen«, erklärte der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in einer ersten Stellungnahme. Auch Ferrero-Waldner argumentierte ähnlich, als sie in Israel davon sprach, dass ihr Land jahrzehntelang ein sicherer Zufluchtsort für jüdische Flüchtlinge, vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion, gewesen sei.

Die israelische Regierung wiederum begründete ihren Schritt mit der fairen und ausgewogenen Politik, die Österreich gegenüber Israel in den vergangenen Jahren demonstriert habe. »Österreich stand Israel auch während der UN-Konferenz gegen Rassismus in Durban bei und hat sich Versuchen widersetzt, den Holocaust zu minimalisieren und zwischen Zionismus und Rassismus zu vergleichen«, erklärte dazu Schalom.

Auch Ferrero-Waldner meinte, dass Österreich sich immer für das Recht Israels ausgesprochen habe, in anerkannten und sicheren Grenzen, in Frieden und ohne Angst zu existieren.

Dabei hatte vor allem der frühere österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky dafür gesorgt, dass Jassir Arafat in den siebziger Jahren international anerkannt wurde. Auf österreichische Zustimmung trafen auch zahlreiche antiisraelische und propalästinensische UN-Resolutionen, wie sie in diesen Jahren verabschiedet wurden.

Für die Entscheidung der israelischen Regierung, wieder einen Botschafter nach Wien zu entsenden, war neben dem schwindenden Einfluss von Jörg Haider auch die Haltung zur Vergangenheit ausschlaggebend. »Über die letzten dreieinhalb Jahre hat Israel die Entwicklungen in Österreich weiter verfolgt. Während dieser Zeit hat Österreich wichtige Fortschritte bezüglich einer Konfrontation mit der Vergangenheit gemacht und es hat seine Verantwortung gegenüber Holocaust-Opfern anerkannt«, erklärte Shalom. Kritik kam hingegen vom Simon-Wiesenthal-Center. In einem aktuellen Bericht beklagt es, dass Österreich keine Initiative ergreift, um noch lebende NS-Kriegsverbrecher zur Verantwortung zu ziehen.

Denselben Ton schlug der österreichische Schriftsteller Robert Menasse an. »Wenn Israel nur einigermaßen über die politische Gestimmtheit und Mentalität dieser Regierung informiert ist, dann würde es nicht einmal das völlige Verschwinden der Freiheitlichen zum Anlass einer Normalisierung nehmen«, kritisierte der Autor. Es könne »die politische Lebensversicherung eines jeden Juden, das ist der Staat Israel, nicht zur Legitimation eines Antisemitismus dienen, der mit Ausgrenzen und langsam Eingehenlassen arbeitet und nicht gleich mit Gaskammern«, sagte Menasse weiter.

Menasse hat dabei jüngste Entwicklungen in der Alpenrepublik im Blick. Seit zwei Jahren fördert der österreichische Staat mit einer beträchtlichen Summe das antisemitische und rechtsextreme Wochenblatt Zur Zeit, das die Verbrüderung mit den Islamisten sucht. Bereits vor mehr als einem Jahr hat der Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, Wolfgang Neugebauer, darauf hingewiesen, dass die Politik Österreichs widersprüchlich sei, wenn man einerseits die Beziehungen zu Israel verbessern wolle, andererseits eine »antiisraelische« Zeitschrift mit Mitteln der Bundesregierung fördere.

Gleichzeitig weigert sich die schwarz-blaue Regierung, die kleine jüdische Gemeinde in Österreich bei ihren enormen Finanzproblemen zu unterstützen. Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hat in den letzten Monaten erfolglos versucht, finanzielle Mittel von der Bundesregierung zu erhalten, die ein Überleben der Gemeinde sichern würden. Ariel Muzicant, Präsident der IKG, zeigte sich dennoch erfreut über die Wiederaufnahme der Beziehungen. Nicht zuletzt in der Hoffnung, dass dieser Schritt helfen könnte, den Konflikt zwischen der jüdischen Gemeinde und der österreichischen Regierung zu lösen.

Einem Bericht der israelischen Tageszeitung Ha’aretz zufolge waren für die »Normalisierung« der Beziehungen nicht so sehr die von Israel anvisierte verstärkte Zusammenarbeit mit der EU ausschlaggebend. Entscheidend war vielmehr das Verhalten der österreichischen Justiz, die bereits zweimal ein Rechtshilfeansuchen der israelische Staatsanwaltschaft ablehnte, wegen illegaler Wahlkampfspenden für Ariel Sharon zu ermitteln.

In einem Interview sagte Ferrero-Waldner, dass sich an dem neuen Verhältnis zwischen Österreich und Israel auch dann nichts änderte, wenn Jörg Haider wieder in die Regierung gerufen würde. Die israelische Regierung erklärte wiederum, dass sie sich weiterhin verpflichtet fühle, die Entwicklung in Österreich und anderen Staaten zu beobachten und Politiker jeglicher Parteien anzuprangern, die antisemitische Ideen verbreiten.

Für Österreich, wie die mögliche zukünftige Bundespräsidentin Ferrero-Waldner im Anschluss an das Treffen mit Shalom erklärte, war es jedenfalls ein »guter Tag«.