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Manchmal merken wir erst, dass ein Kollege fehlt, wenn es nichts mehr zu beißen gibt. Ja, so schnöde und materialistisch geht es bei uns zu. Wer gedacht hat, dass hier nur der scharfe Kommentar, die ätzende Glosse oder der radikale Gestus zählt, liegt falsch. Brötchen, saftiger Schinken und fleischige Tomaten sind uns viel wichtiger. Jedenfalls montags, wenn die Zeitung mit letzter Kraft vollendet wird. Ohne Buffet läuft da nichts.

Doch plötzlich war er weg, der Frühstücksbeauftragte. Dabei hatten wir uns so an seine Beiträge gewöhnt, an die scharfe Knoblauchwurst, den ätzenden Handkäs und an seine radikalen Versuche, auch beim Frühstück mit deutschen Gewohnheiten zu brechen: Honigmelonen mit Nutella, garniert mit – Respekt! – vielen Bountys. Die Ausgaben liefen wie geschmiert.

Seit Wochen versuchen wir nun, die Zeit zu überbrücken, bis der Kollege wieder kommt. Bis zum nächsten Frühjahr schmiert er nämlich seine Brötchen allein, wimmelt lästige Anrufe ab und widmet sich nun ausschließlich seinem akademischen Leben.

So helfen wird uns eben, so gut es geht. Seitdem versuchen alle irgendwie, innovative Beiträge zu liefern, ohne dabei an die Folgen zu denken. Einige lassen sich Schnauzbärte wachsen oder nehmen jetzt die Treppen statt des Fahrstuhls, um völlig abgehetzt auf den Sitzungen zu erscheinen. Andere schreiben ihre Artikel erst nach Redaktionsschluss, manche beginnen gleichzeitig in allen Ressorts zu arbeiten, und fast wöchentlich bilden sich neue Teams, um endlich die wirklich brisanten Themen anzugehen.

Die Innovation ist noch längst nicht abgeschlossen, wichtige Änderungen stehen noch bevor. Bis zum nächsten Frühjahr wird keine Seite wie die andere sein. Und dennoch: Manche Lücke ist einfach nicht zu schließen.