Fax vom Staatsdiener

in die presse

»Johannes Rau hat sein Amt unspektakulär, aber wirksam ausgestaltet. Mit seinem Engagement für Weltoffenheit und Toleranz, mit seinem Bemühen, die Situation im Osten vorurteilsfrei und ohne Besserwisserei zu bewerten und auf Änderungen zu dringen, mit seiner Art, zwischen den Generationen zu vermitteln, hat er Maßstäbe für das Amt gesetzt. (…) Diesem im besten Sinne präsidialen Maßstab wird sich die Nachfolgerin bzw. der Nachfolger zu stellen haben.«

Wer erklärte das in der vergangenen Woche nach der Ankündigung Raus, nicht für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident zu kandidieren? Der SPD-Generalsekretär Olaf Scholz? Claudia Roth von den Grünen? Das Catchword lautet »Osten«, also war es vielleicht Matthias Platzeck, der brandenburgische Ministerpräsident? Oder der brandenburgische Bischof Wolfgang Huber?

Weit gefehlt, die Schleimspur führt direkt ins Karl-Liebknecht-Haus. Dieser »im besten Sinne« staatstragende Quatsch wurde am vergangenen Freitag von Lothar Bisky, dem Vorsitzenden der PDS, verbreitet. Nun hat man sich ja längst daran gewöhnt, dass unter einer Regierung, an der sich die PDS beteiligt, wie etwa in Berlin, die Lernmittelfreiheit abgeschafft wird, die Kita-Gebühren steigen, Jugendclubs geschlossen und Menschen schon mal in die Folter abgeschoben werden. Dass der Senat gleichzeitig Bürgschaften in Milliardenhöhe für eine durch Korruption heruntergewirtschaftete Bank übernimmt – was soll’s?

Aber, Herr Bisky, Sätze wie diesen will keiner Ihrer ehemaligen Wähler lesen: »Wenn das Amt des Bundespräsidenten weiterhin von politischer Weitsicht jenseits von Machttaktik und Legislaturperioden geprägt sein soll, verbietet sich der Parteienstreit darum.« Wenn Ihr Amt als Vorsitzender der PDS nicht unnötig weiter »beschädigt« werden soll, dann feuern Sie wenigstens Ihren Ghostwriter. Auf den einen Wähler dürfte es Ihnen ja nun auch nicht mehr ankommen.

paul urban