Oh Technik, oh Schutz vor ihr

Streit um Windenergie von winfried rust

Es ist eine Komödie, die sich gerade rund um den südbadischen Berg mit dem lustigen Namen Schauinsland abspielt. Kurz vor der Fertigstellung zweier Windräder auf dem Berg focht das baden-württembergische Wirtschaftsministerium die Baugenehmigung als rechtswidrig an. Weil die verfügte Rücknahme der Baugenehmigung jedoch noch nicht rechtskräftig war, konnte der Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) doch den Startknopf für die beiden Windräder drücken. Der Kampf gegen Windmühlen bleibt mühselig.

Die Landesverfügung hatte in Freiburg für erhebliche Aufregung gesorgt, denn die Umstellung der Energieversorgung gilt dort als Grundstein einer besseren Welt, und alternative Energien zählt man zu den wirtschaftlichen Standortvorteilen. Vor Ort schimpften bislang nur die Junge Union und eine »Bürgerinitiative zum Schutz des Hochschwarzwalds«, die eine »Verspargelung« der Landschaft befürchtet, gegen die Nutzung der Windkraft.

Vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel ist bekannt, dass er Windräder für »Landschaftsverschandelung« hält. Der grüne Stadtrat Eckart Friebis konstatierte eine »fast schon pathologisch zu nennende Aversion gegen die Windkraft« des »Atom-Fans Teufel«.

Dabei will die Landesregierung den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2010 verdoppeln. Außerdem bieten sich mit den Windradbetreibern Leute an, die im »Ländle« höchst willkommen sind: privatwirtschaftlich, mittelständisch, innovativ. Wo also liegt das Problem?

Zu den Wurzeln des deutschen Konservatismus gehört die Technikfeindlichkeit. Wenn von einer »Verunstaltung der Landschaft« die Rede ist, so steckt die romantische Idealisierung »unberührter« Natur dahinter. Das Bild der sowohl unberührten als auch schönen Natur kennt man von den Wohnzimmer-Reproduktionen der Großeltern, auf denen ein Hirsch vor einem bewaldeten Berghang röhrt.

Dieses Bild ist so echt wie ein mexikanisches Dorf im Freizeitpark. In Wirklichkeit ist die Natur mit ihrer gesellschaftlichen Umwelt verzahnt. An den Gipfelkreuzen, die einen in Süddeutschland auf Schritt und Tritt verfolgen, wird ein konservativer Naturschützer sicherlich keinen Anstoß nehmen. Das Problem lässt sich also eingrenzen: Was wird mit dem Sichtbaren assoziiert?

Die Konservativen von heute sind nicht mehr die Bewahrer der Natur, sondern die Befürworter ihrer wirtschaftlichen Ausbeutung. Gleichzeitig mit der konservativen Sorge um unberührte Schwarzwaldrücken gibt der CDU-Verkehrsexperte Georg Brunnhuber in Freiburg zu Protokoll: »Heute sollte jede Autobahn sechsspurig verlaufen.« Sollten etwa der deutsche Wald und die deutsche Autobahn plötzlich in Widerspruch geraten? Die letzte Zuflucht bietet das Unbewusste.

Wenn ein Autobahnfan sein Cabriolet den Schauinsland hinauflenkt, will er die Idylle sehen, die er sonst hartnäckig zerstört. Mehr noch, er spaltet das, was er selbst verursacht hat, aber nicht vertreten will, aus der Sphäre der eigenen Verantwortung ab. Das entlastet ungemein. Die Verdrängungsleistung gelingt am besten, wenn das Verdrängte auf ein anderes Objekt projiziert werden kann. Dann ist es sogar möglich, das ungeliebte Eigene im Anderen emphatisch zurückzuweisen: »Windräder verschandeln die Natur!«