KPÖ gehört jetzt BRD

Jahrzehntelang beherrschte die Firma Novum den österreichischen Außenhandel mit der DDR. Nun wurde die Novum zum SED-Besitz erklärt. Und die Kommunistische Partei Österreichs muss sparen. von amon brandt, wien

Alles oder nichts« wurde gespielt. Der Einsatz waren eine viertel Milliarde Euro und eine altehrwürdige Partei. Und beides – so hat es den Anschein – hat Walter Baier, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Österreichs, verspielt. Die deutsche Bundesregierung hatte nach der Wiedervereinigung angeblichen SED-Besitz eingezogen, auf den auch die KPÖ Anspruch erhebt. Zehn Jahre dauerte der Rechtsstreit zwischen der KPÖ und der Bundesrepublik Deutschland. Nun sprach vor drei Wochen das Oberverwaltungsgericht Berlin die hohe Summe dem deutschen Staat zu. Seitdem stehen die österreichischen Kommunisten vor einem Scherbenhaufen, der einstmals ihr ewig währender Parteiapparat war.

Zwar war die KPÖ nie ein politisch ernst zu nehmender Faktor in der österreichischen Politik, und spätestens seit den fünfziger Jahren lässt sich ihre Wählerschaft nur in Promille messen, aber um Erfolg bei demokratischen Wahlen ging es ihr ohnehin nie. Vielmehr befasste sie sich in den Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges damit, die Kapitalisten auf eigenem Felde zu schlagen.

Während des Kalten Krieges zimmerte sich die Partei mit ungeheurem Erfolg einen veritablen Industrie-Consulting-Konzern zusammen und erwarb Immobilienbesitz. Herzstück dieser Konstruktion war jene Novum GmbH, die von dem Berliner Gericht zur SED-Firma erklärt und über diesen Umweg der Treuhand-Nachfolgerin BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) zugeschoben wurde.

Ganz anders als in deutschen Medien gilt das Urteil in Österreich als eine Überraschung. Denn zum einen hatte die gerichtliche Vorinstanz das Eigentümerverhältnis klar zu Gunsten der »beinharten Kapitalisten« (Der Spiegel) aus Österreich interpretiert. Zum anderen war die Novum GmbH seit den fünfziger Jahren fixer Bestandteil der Osthandelspolitik der Republik und ihrer verstaatlichten Industrie. In den folgenden Jahrzehnten gab es auch für privatwirtschaftliche Konzerne wie Ciba-Geigy, Bosch und Steyr-Daimler-Puch kein Vorbeikommen an dieser Vermittlungsagentur. Für Gesprächstermine mit der DDR-Führung war die Novum die Rezeption – und die neutrale Alpenrepublik war das Wartezimmer. Ihren Höhepunkt erlebte die Firma in den achtziger Jahren, als sie gut sechzig Prozent des österreichischen Außenhandels mit der DDR betrieb.

Doch die Firmenkonstruktion hatte ihre Tücken, die das nun gefällte, letztinstanzliche Urteil aus bundesdeutscher Sicht plausibel erscheinen lassen. In Treuhandverträgen der Novum-Geschäftsführung mit der SED-eigenen Firma Zentrag aus den fünfziger Jahren wurde vereinbart, dass die Novum im Auftrag und auf Weisung der Zentrag handele. Aus österreichischer Perspektive waren die Verträge den damaligen politischen Gegebenheiten geschuldet. Tatsächlich durfte eine in Ost-Berlin sitzende Firma offiziell nicht in ausländischem Besitz sein. Dass diese Konstruktion ein erzwungener Fake war, wussten an den Ost-Geschäften Beteiligte wie Norbert Jochum, früherer Direktor des staatlichen Stahlriesen Voest, nur allzu gut: »In der Branche galt als bekannt, dass die Novum der KPÖ gehörte.« Dieser Umstand war für viele West-Unternehmen ausschlaggebend, die Novum als Vermittlerin zu engagieren.

Als eine weitere Ungereimtheit erweisen sich die gut fünfzig Millionen Euro, die die Novum der DDR-Führung in den achtziger Jahren zur Verfügung stellte. Für BvS-Anwalt Thomas Kunze macht dieser Vorgang die Firma zu »einer Art Kriegskasse« der SED. Die KPÖ allerdings spricht von einem »Kredit«, der im Interesse der damals stagnierenden österreichischen Osthandelspolitik vergeben wurde. Nie habe die Partei auf eine Rückzahlung verzichten wollen.

So undurchsichtig das Gebaren der Firma und die Besitzverhältnisse, so sicher sind sich doch beide Seiten darin, im Recht zu sein. In Deutschland werden vor allem die ominösen Transfers riesiger Geldsummen nach dem Zusammenbruch der DDR in Richtung Österreichs, der Schweiz und der Bahamas als wirtschaftskriminell betrachtet. In Wien sieht man sich dagegen betrogen durch ein »politisches Urteil«.

Doch das Ringen um die Milliarden ist noch nicht entschieden. Einerseits hat der deutsche Staat nur den Teil des Betrages gesichert, der seit Jahren auf Konten der BvS liegt. Ein Großteil des Geldes liegt jedoch auf Schweizer Konten. Neue Justizschauplätze in der Schweiz kündigen sich bereits an. Andererseits ist nicht sicher, ob der KPÖ nicht die Puste ausgehen wird und sie auf weitere Rechtsmittel verzichtet.

Die KPÖ hatte fest damit gerechnet, dass ihr am Ende des Rechtsstreits 250 Millionen Euro zugesprochen werden. Offensichtlich war die märchenhafte Summe als fixer Betrag ins Parteibudget eingeplant worden. 2,5 Millionen Euro jährlich steckte die KPÖ in ihren Apparat und vor allem in Subventionen für parteieigene Projekte. Das persönliche Aushängeschild des KPÖ-Vorsitzenden Baier, die Wochenzeitung Volksstimme, war quasi kostenlos an jeder Straßenecke Wiens zu bekommen, weil ihr Betrieb zu zwei Dritteln durch die Parteikasse gedeckt war. Nun ist Schluss mit Luxus: Die Volksstimme wird diese Woche zum letzten Mal erscheinen. Baier verkündet ein radikales Streichen aller Zuwendungen und nennt das einen »Umbau in Würde«. Allen 45 Mitarbeitern der Partei flattert dieser Tage die Kündigung ins Haus, die Landesorganisationen sollen sich selbst tragen und der auf diese Weise von seinen Verantwortungen freigestellte Bundesvorstand verlegt seine Räume in parteieigene Immobilien.

Diese scheinen tatsächlich das einzige Kapital zu sein, das geblieben ist. Zweck dieser Anhäufung von Immobilien sei es schließlich immer gewesen, auch in schweren Tagen ein Dach über dem Kopf zu haben, wie Baier der Jungle World erklärt. Auch viele linke Gruppen fanden hier Unterkunft. Auf diese Aktivisten hofft nun Baier, wenn er einen leichten Aufwind feststellt. Bei den letzten Wahlen kam die KPÖ tatsächlich der Einprozentmarke ungewöhnlich nahe. Die neuen sozialen Bewegungen wie das frisch gegründete »Austrian Social Forum« und die Aktivisten-Zeitung Malmö sowie die neu aufkeimende gewerkschaftliche Linke sollen der KPÖ als neues Fundament dienen. Die »neue organisationspolitische Philosophie« solle stark an deren kollektivistisch-aktionistische Struktur angelehnt sein und damit »die existenzielle, moralische Krise in den letzten Jahren beenden«, sagt Baier zuversichtlich. Der Parteivorsitzende schöpft Hoffnung aus dem finanziellen Desaster: »Ein Aufbau kann nur von Null auf geschehen.« Die neue »Pluralität der Auffassungen« werde die schlimmen Fraktionskämpfe mit den dogmatischen und neostalinistischen Kräften ablösen. Allerdings vermochte Baier diese Auseinandersetzungen bisher unter seiner knapp zehn Jahre währenden Leitung nicht zu besänftigen.

Nun, so Baier, will er die KPÖ endlich zu dem machen, was sie in seinen Augen schon längst hätte sein sollen: »eine Alternative zu Sozialdemokraten und Grünen.« Er selbst hat jedoch bei dieser Hinwendung zum Bürgertum bisher ein weniger glückliches Händchen bewiesen als seine Genossen in Graz, die mit ihrem in Populismus äußerst gewandten Aushängeschild, dem Stadtrat Ernest Kaltenegger, jüngst bei den Kommunalwahlen über zwanzig Prozent einheimsten (Jungle World, 15/03).

Aus Graz droht Baier nun auch das größte Ungemach. Denn die dortige Landesorganisation ist besonders von den Sparmaßnahmen betroffen, weil sie bisher am besten wusste, den Parteiapparat effektiv einzusetzen. Von dort kommen die lautesten Protestschreie gegen eine »Zerschlagung« der Partei. Doch Baier klammert sich ans Steuer: »So wie der Kapitän einer Verkehrsmaschine nicht das Cockpit verlässt, wenn eine Schlechtwetterfront prognostiziert wird, so denke ich nicht an Rücktritt.«