Nachrichten

Ça va, shit happens

Frankreich. Schon längst ist das Verhältnis zwischen Paris und Washington von politischen Rivalitäten geprägt. In der vergangenen Woche kamen noch wirtschaftliche Konflikte dazu. Am Mittwoch wurde der französische Beschluss bekannt, ein Abkommen mit der US-amerikanischen Justiz bezüglich der Affäre um Executive Live zurückzuweisen. Dabei geht es um den illegalen Aufkauf einer bankrotten kalifornischen Versicherungsgesellschaft durch die französische Bank Crédit Lyonnais (CL) im Jahr 1991. Später hatte die Bank die Versicherung an eine Holding des Großunternehmers François Pinault weiterverkauft, der dabei beträchtliche illegale Gewinne einstrich. Die kalifornische Justiz schlug dann ein Abkommen vor. Die Ermittlungen gegen eine Reihe französischer Persönlichkeiten sollten demnach eingestellt werden, wenn der Staat 585 Millionen Dollar überweise. Es scheiterte aus zwei Gründen. Erstens entdeckte die US-Justiz im September neue Hinweise auf eine direkte Mitwisserschaft des damaligen CL-Präsidenten Jacques Peyrevelade. Ihm sollte deshalb der zugesagte gerichtliche Schutz doch noch entzogen werden. Zweitens klammert das vorgesehene Abkommen François Pinault, der Staatspräsident Jacques Chirac sehr nahe steht, von seinem Schutz aus. Das Scheitern des anvisierten Abkommens könnte französische Geschäftsinteressen in den USA in naher Zukunft beeinträchtigen.

Zusammen dicht machen

Brüssel. Europa erweitert sich. Und es macht seine Grenzen zu. Am vergangenen Donnerstag hat der EU-Gipfel in Brüssel grünes Licht für die Schaffung einer europäischen Grenzschutzagentur gegeben, die die Bekämpfung illegaler Einwanderung, eines der Hauptziele der italienischen EU-Präsidentschaft, erleichtern soll. Die Arbeit der EU in diese Richtung hat schon mit der Schaffung eines »Zentrums Landesgrenzen« begonnen, das beim deutschen Innenministerium in Berlin seinen Sitz hat. Geplant ist künftig die Einrichtung ähnlicher Zentren in Griechenland und Spanien für die Überwachung der europäischen Seegrenzen und die Schaffung eines »Zentrums Luft« in Italien, das für die Grenzkontrollen an den Flughäfen der EU zuständig sein soll. Die geplante Grenzschutzagentur soll die Arbeit dieser Grenzzentren koordinieren und Kooperationsprojekte vorschlagen und realisieren, wie etwa die Ausbildung von Grenzpolizisten oder die Harmonisierung der technischen Ausstattung von Grenzkontrollstellen. Polizeiliche Befugnisse wird die Agentur vorerst nicht haben, sie bleiben bei den EU-Staaten.

Medienabschreckung

Norwegen. Die norwegische Innenministerin scheint um ausgefallene Ideen nicht verlegen zu sein. So lud Erna Solberg im Juli 2003 Journalisten aus der ganzen Welt ein, damit sie über überfüllte Asylbewerberheime berichten und desillusionierte Flüchtlinge porträtieren. Sie versprach sich davon eine abschreckende Wirkung auf Flüchtlinge. Solberg, deren erklärtes Ziel die Reduzierung der jährlichen Asylantragsteller von derzeit 16 000 auf 5 000 ist, führt ihren Kampf gegen Flüchtlinge aber auch mit konventionelleren Methoden. Am vergangenen Mittwoch legte sie dem Parlament mehrere Gesetzesinitiativen vor. Vorgeschlagen wird eine »Neueinschätzung« der Asylkriterien für Afghanistan und Irak sowie die Abschiebung von Asylbewerbern, die sich »ohne triftigen Grund« in Norwegen aufhalten, innerhalb von 48 Stunden.

Die Forderung der rassistischen Fortschrittspartei nach einem nicht abnehmbaren Armband, das jederzeit die Lokalisierung des jeweiligen Asylbewerbers ermöglichen soll, wies Solberg vorerst zurück. Zu befürchten steht aber, dass sie sich über kurz oder lang auch für diese Idee begeistern könnte.

Zeit für Respekt!

Großbritannien. Schon ein paar Menschen in einem Wohnhaus könnten den anderen Hausbewohnern das Leben zur Hölle machen, sagte der britische Premierminister Tony Blair im Parlament vergangene Woche. Und wie Recht hat er. Doch Blair wollte sich nicht über rülpsende Nachbarn in der Downing Street 9 oder 11 beklagen, sondern eine 100 Millionen Euro teure Kampagne gegen asoziales Verhalten starten. Der legendäre Ruf der Briten in Sachen Höflichkeit und Benehmen solle schließlich gepflegt werden, es sei Zeit für »Respekt«, so die Regierung, die Alkoholleichen auf der Straße, Krawallmacher, Sprayer, Hooligans, aggressive Bettler und ähnliches strenger ins Visier nehmen will. Die Grenze zwischen »sozialem« und »asozialem« Verhalten ist für Innenminister David Blunkett einfach gezogen: Asozial ist alles, was von einer »Normalität« abweicht, die durch Verbote, Ausgangssperre, Strafen gekennzeichnet ist. Bestraft werden sollen nach Vorstellungen der Labour Party nicht nur die oben genannten Menschen, sondern z.B. auch Mütter, die ihre Kinder nach neun Uhr abends Milch kaufen schicken, und Polizisten und Behördenmitarbeiter, die die Vorschriften nicht effektiv genug durchsetzen. Law and Order schlägt zu.

And the winner is?

Tschechien und Niederlande. Wer gewinnt den europäischen Wettlauf in Sachen Sozialabbau und Prekarisierung der Arbeits- und Lebensbedingungen der lohnabhängigen Bevölkerung?

Während die Schrödersche Sozialpolitik von Financial Times, Corriere della sera und Le Figaro überschwänglich als »wegweisend« gelobt wird, setzt die tschechische Regierung bereits zum harschen Überholmanöver an. Die sozialliberale Koalition unter Vladimir Spidla beschloss jüngst die Anhebung des Rentenalters von 60 auf 63 Jahre und die Einführung von Karenztagen beim Krankengeld. Demnach sollen Krankgeschriebene in den ersten drei Tagen nur noch den halben Tagessatz erhalten. Weitere Kürzungsvorhaben bei Arbeitslosengeld und Sozialhilfe liegen schon in der Schublade.

In Führung liegen allerdings deutlich die Niederländer, die sich offenbar um den Titel »harmonischste Standortgemeinschaft« bewerben. Gewerkschaften, Unternehmervertreter und Regierung vereinbarten einen Lohnstopp bis 2005. Die Niederlande halten übrigens auch im europäischen Vergleich die Spitzenposition in punkto Deregulierung des Arbeitsmarktes.