Opposition geht anders

Vor dem Programmparteitag der PDS in Chemnitz von regina stötzel

Eine Partei, die nicht regiert, nennt man Oppositionspartei. Das Programm einer Oppositionspartei ist wichtig, weil sie sich damit zu profilieren versucht auf dem Markt der Wahlmöglichkeiten. Gelingt ihr das, wird sie – je nach Einfluss – von der Regierung in diversen Fragen zu Rate gezogen oder aber belächelt.

Die PDS wird nicht zu Rate gezogen. Ihre beiden direkt gewählten Bundestagsabgeordneten, Petra Pau und Gesine Lötzsch, können im Parlament nicht allzu viel ausrichten. Aber das neue Programm, das am Wochenende auf dem Parteitag in Chemnitz abgesegnet werden soll, wird auch nicht belächelt werden.

»Der PDS-Chef Lothar Bisky will den Entwurf des reformorientierten neuen PDS-Programms entschärfen«, schrieb die Frankfurter Rundschau vergangene Woche. Sie bediente sich des gängigen Vokabulars zur Beschreibung einer wie auch immer profilierten Oppositionspartei, die bei ihren Profilierungsbestrebungen vermeintlich allzu sehr übers Ziel hinausgeschossen ist. Das aber ist bei der PDS nicht der Fall, wie schon das Wort »reformorientiert« andeutet.

Am Programmentwurf der PDS, den der alte und neue Parteivorsitzende Lothar Bisky und die ehemalige Vorsitzende Gabi Zimmer im August vorstellten, ist gar nichts zu entschärfen. Es gibt darin nichts, was auch nur ansatzweise »Sprengkraft« enthielte. Lothar Bisky hat das längst erkannt. Auf der Pressekonferenz zur Präsentation des Entwurfs sagte er: »Bei einem solchen Programm könnte jeder Sozialdemokrat zustimmen.«

Das 37seitige Papier hatte der Parteivorstand zuvor bei einer Enthaltung und in Abwesenheit von Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform für gut befunden. Die PDS nimmt darin Abschied von jeglicher Alternative zum Kapitalismus, indem sie sich zu »unternehmerischem Handeln« und »Gewinninteressen« als »wichtigen Bedingungen für Innovation und betriebswirtschaftliche Effizienz« bekennt. Verurteilt werden »Nichtachtung und Missbrauch des internationalen Gewaltmonopols des Sicherheitsrates und die damit verbundene Schwächung der Uno«. Mit keinem Wort wird dagegen der auf dem Parteitag in Münster vor drei Jahren beschlossene generelle Antikriegskurs erwähnt.

Gegen beide Formulierungen wie auch gegen die Haltung gegenüber der Vorgängerpartei SED gibt es Proteste von der Basis. Die entsprechenden Passagen sollen nun so verändert werden, dass zwar der Inhalt gleich bleibt, aber mit viel Phantasie auch andere Deutungen möglich sind. So dass alle damit leben können. Der Sprecher der Partei, Hendrik Thalheim, nennt das eine »Präzisierung«. Etwas zu sagen, aber das Gegenteil zu meinen, hat er von seinen einflussreicheren Kollegen abgeschaut.

Auf die schielt stets auch die gesamte Partei und wird nicht müde zu betonen, dass sie auf allen parlamentarischen Ebenen bereit sei, »politische Verantwortung zu übernehmen«. Das hat sie auf Länderebene getan, in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Und sie hat dabei längst ihr Gesicht verloren.

Auf dem Programmparteitag in Chemnitz will man Einigkeit demonstrieren. Gerade eine kleine Partei muss darüber einig sein, auf welche Weise sie ihr Gesicht verlieren will. In Chemnitz wird der Gesichtsverlust zum Programm werden. Das neue Parteiprogramm wird weder Einfluss haben, noch wird es belächelt werden. Denn Opposition geht anders.