Wie Mariah

Das von Bob Dylan verhängte Fotoverbot ist nichts mehr als eine pubertäre Selbstinszenierung, die ein 62jähriger eigentlich nicht nötig haben sollte. von martin schwarz

Bob Dylan, von uns allen tief ins hippiöse Herz geschlossener musikalischer Begleiter der siebziger und achtziger Jahre, tourt durch Deutschland und Österreich und spult sein gewohntes Programm herunter – auf einer »nie endenden Tour«.

Bloß wird niemand eines auf Zelluloid gebannten Porträts des Meisters während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit ansichtig werden, denn der 62jährige Musikrentner hat ein Fotoverbot erlassen. Wenn jemand ein Bildchen knipst, sanktioniert dies der Meister unter Umständen gar mit dem Abbruch des Konzertes. In dieser divenhaften Eskapade gleicht er ein wenig jenen Tonleiter-Amokläufern, die um etliche Dekaden jünger sind: Mariah Carey, die Ikone des Kampfkuschelsongs, etwa lässt jeden Fotografen oder Kameramann rechtlich verfolgen, der sie filmt, wenn sie eine Treppe hinaufsteigt. Zellulitis und Zelluloid sind eben ein tödlicher Cocktail in der Musikbranche.

Und dann war da noch – ebenfalls am anderen Ende der qualitativen Skala angesiedelt – Michael Jackson, der statt einer Nase nur noch ein Tuch um die Backen gezurrt hat und seinen beiden Kindern in der Öffentlichkeit Faschingsmasken umhängt.

Dass aber Bob Dylan, wiewohl musikalisch professioneller denn je, den billigen PR-Gag sucht, indem er großspurig drakonische Strafen fürs Fotografieren verhängt, muss doch erstaunen und passt so gar nicht zu seinem neuen Stil. Kein einziges vertrauliches Wort hat er dem Publikum während seines Konzertes in den Hamburger Docks am letzten Samstag zugeplärrt, keine trotzigen Gesten erfreuten das Gemüt. Vorbei die Zeiten, als Bob Dylan noch eine Stunde lang mit dem Rücken zum Publikum auf der Bühne stand und schwieg, weil der sensible Musikliterat nicht die nötige innere Balance fand, um das Konzert zu vollenden. Nein.

Was die rund 1 500 Zuhörer erlebten, so waren sich Musikkritiker einig, war ein abgeklärter Musikprofi, der seinen Frieden mit sich und dem Business gefunden hatte. Von erfrischenden Eskapaden in antiseptischer Konsequenz frei, zog sich Dylan wohl auf den billigsten und gleichsam Aufsehen erregendsten Divengag zurück und verhängte eben dieses Fotoverbot. Irgendwie ist dieses Bild nicht stimmig und wird auch nicht stimmiger durch den Vergleich eines Dylan-Konzertes mit einer Theateraufführung oder einer Hohen Messe, bei denen ja auch Fotoverbot herrscht. Wenn nämlich etwa die Deutsche Presseagentur in ihrem Konzertbericht hymnisch die »professionelle Spielfreude« lobt, mit der Dylan zwischen E-Gitarre und Mundharmonika wechselt, dann wäre es mindestens so professionell, sich bei all der Spielfreude auch ablichten zu lassen.

So ist eben das Geschäft, und Dylan hat es begriffen. Sein Fotoverbot hat nichts mit der Angst des Künstlers vor dem Durchbrechen seiner Aura während der Berufsausübung zu tun, sondern alleine mit der Angst des Künstlers vor der medialen Fadheit seines eigenen Auftrittes. Ebenso wie findige Marketingmanager naiven Girlband-Mitgliedern Affären mit naiven Boygroup-Mitgliedern anhängen, um den Plattenverkauf zu steigern, hat sich Dylan eben für ein Fotoverbot entschieden.

Mehr hineinzugeheimnissen, beleidigt den Geschäftssinn eines Dylan, der spät genug erkannt hat, dass man auch nicht mehr automatisch in die Medien kommt, nur weil man eben existiert.

Schade ist nur, dass der Deutsche Journalistenverband seine Mitglieder aufgefordert hat, die Konzerte von Dylan zu boykottieren. Das nämlich ist mindestens genauso dumpf wie das Fotoverbot selbst. Interessant wäre übrigens zu erfahren, ob Dylans Fotopolizei vor den Konzerten die Kameras von Journalisten einsammeln lässt, um jedes Fotografieren zu verunmöglichen, oder ob man es drauf ankommen lässt, dass vielleicht doch einer auf den Auslöser drückt und der Meister mit dramatischer Geste seine musikalische Selbstbejammerung einstellen könnte.

Wenn Dylan klug ist, und davon wollen wir mal ausgehen, trifft Letzteres zu.