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Das Fenster im vierten Stock des Fabrikgebäudes wird aufgerissen. Jemand schmeißt ein Knäuel Plastiktüten heraus und knallt das Fenster wieder zu. Die Tüten segeln nach unten, an den Fenstern der übrigen Stockwerke vorbei. Da ist ja gar kein Müll drin! Es ist ein in Handarbeit hergestellter Fluggleitschirm! An den aufgeblasenen Tüten hängt der Schlüssel für die Tür des Lastenaufzugs. Es ist der Schlüssel, der den Weg in die Redaktion der Jungle World freigibt.

»Na Mädel, wohin soll’s gehen? In den Vierten?« fragt der nette, überarbeitet wirkende Herr, der mit mir im Aufzug nach oben fährt.Er hat eine Sackkarre dabei und saugt an einer Zigarette. Im zweiten Stock steigt er aus. Mit der Jungle World hat er also nichts zu tun.

Oben im vierten Stock, in den Redaktionsräumen, quillt Papier aus den Regalen und sammelt sich auf dem Boden und den Tischen. Vor lauter gedruckten Informationen kann man die Computermonitore kaum erkennen. Aus Versehen steige ich in die Batterie aus leeren Flaschen, die auf dem Boden der Inlandsredaktion lagert. Das Scheppern wird mit Beifall kommentiert: Ich habe alle Flaschen umgestoßen. Wieder aufzustellen brauche ich sie nicht. Hier wird hart gearbeitet. Da bleibt keine Zeit für solchen Quatsch wie Aufräumen.

Die Inlandsredakteurin telefoniert wie wild. Es fehlen noch Texte und Autoren. Sie versucht, die Gesprächspartner mit einem harmlosen Schwätzchen einzulullen, um dann gnadenlos das Thema und den Abgabetermin zu diktieren.

Währenddessen bekommt der Kollege aus dem Ressort mehrere Anfälle. Weil sein Computer jedes Mal abstürzt, wenn er ein Windowsprogramm öffnen soll. Er muss alle zwei Minuten neu gestartet werden. Der Redakteur hackt auf der Tastatur herum, steht auf, setzt sich wieder hin und benutzt unflätige Worte. Das ist normal. Er sagt, dass er sich einfach aufregen muss, weil es ihn antörnt.

Ich muss mal kurz was Kaltes trinken. Auf dem Weg zur Küche inhaliere ich den Rauch von ungefähr 280 Zigaretten und schwebe über den roten Teppich dahin. In der Küche hat sich ein See gebildet. Die Kaffeemaschine ist wohl nicht ganz dicht. Das Wasser fließt in kleinen Bächen von der Küchenzeile, an der Spülmaschine hinunter. Ein Redakteur schmeißt ein paar Ausgaben der Jungle World auf das Malheur, stellt sich drauf und zündet sich eine Zigarette an. Irgendwie gefällt es mir, hier Praktikantin zu sein.