Der Intermittent

ich-ag der woche

Der Kulturprekäre hat ein Schild mitgebracht. »Desinformation Prekarisierung Verschwinden«, steht darauf. In die 20-Uhr-Nachrichtensendung des Senders France 2 in Paris ist er reingeplatzt. Um eine kontroverse Debatte über seine Probleme zur besten Sendezeit zu verlangen. Schließlich streikt er schon seit vier Monaten. Damit ihm das Recht auf Alimentierung aus der Arbeitslosenkasse nicht beschnitten wird. Er arbeitet prekär, mit Unterbrechungen. Und ohne Stütze kann er kaum überleben.

Aber das hat im Fernsehen nichts zu suchen. Der Intermittent du spectacle ruft: »Medien überall, Infos nirgends.« Darauf bekommen er und seine Miteindringlinge knapp drei Minuten Sendezeit. Um ihre Forderungen zu verlesen. Dann sagt der Nachrichtensprecher: »Verlassen Sie bitte die Bühne!« Wie unsolidarisch. Dabei sind die Intermittents du spectacle Profis wie der Sprecher. Und ein Intermittent arbeitet ja ebenso: In der Gesellschaft des Spektakels reproduziert er das Spektakel. Zum Beispiel im Theater. Oder im Kino. Bei Konzerten. Auch in den Medien. Mal als Possenreißer. Mal als Ideologe. Mal als Techniker, Roadie oder Rausschmeißer. Aber er kritisiert die Arbeit auch. In einem gewissen Sinn: Er kritisiert die Arbeit der anderen. Nicht die eigene. Lieber prekär leben mit Stütze und in der Kulturfabrik tätig sein als am Fließband mit mehr Lohn. Vielleicht fällt dann ein Schein des früheren Glanzes der Kunst auf ihn. Das versüßt das prekäre Überleben.

Aber die Kunst ist in der Ware aufgegangen. Nichts mehr in ihr weist über die Gesellschaft hinaus. Der Intermittent streikt weiter. Und demonstriert. Wird er sagen: »Meine Arbeit kotzt mich an. Die Kunst ist tot. Jetzt leben wir«?

carlos kunze