Winds of Change

Die Gegner der Windenergie gehen in die Offensive. Zumeist mit schlechten Argumenten. von andreas chollet

Hat die Kampagne eine Wirkung? 906 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 1 414 Megawatt wurden in Deutschland von Januar bis September dieses Jahres errichtet, das sind 25 Prozent weniger als im Vorjahr. Zurückgeführt werden könne dies auf »Finanzierungshindernisse und Planungsverzögerungen«, teilte der Bundesverband Windenergie Mitte Oktober mit. »Die Banken sind im Moment vorsichtiger, da die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bevorsteht«, sagte der Pressesprecher Sascha Rentzing der Jungle World. Schon im nächsten Jahr rechne er aber »definitiv« wieder mit einem Zuwachs.

Seit geraumer Zeit wird in fast allen Medien zum Sturm auf die Förderung der Windenergie geblasen. Das Fernsehen berichtet über eine steigende Zahl von Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen, die Zeitungen unterrichten ihre Leser über die Nutzlosigkeit der Windkraft, und die Kommentatoren sind sich einig, dass die Windkraft nur einen geringen Teil der künftigen Energieversorgung sichern wird. Völlig ungeniert wird dabei oftmals die Argumentation der Atomkraftlobby vorgetragen, wie etwa auch in der Jungle World (Nr. 41/03).

Da ist zunächst der angeblich fehlende Kapazitätseffekt der Windkraftanlagen. Das Argument lautet in etwa: Da Windkraftanlagen unregelmäßig Strom erzeugten, müssten konventionelle Kraftwerke mitlaufen, um bei sinkender Leistung einspringen zu können. Deswegen könnten durch den Ausbau der Windkraftanlagen überhaupt keine konventionellen Kraftwerke eingespart werden.

Tatsächlich funktioniert die hiesige Energiewirtschaft jedoch anders. Kraftwerke werden üblicherweise entsprechend ihrer jährlichen Auslastung in Grundlast-, Mittellast- und Spitzenlastkraftwerke eingeteilt. Grundlastkraftwerke, in Deutschland im Wesentlichen Atom- und Braunkohlekraftwerke, laufen durchgängig mit voller Leistung und decken den zeitlich konstanten Verbrauch ab. Der zeitlich variable Verbrauch wiederum kann so charakterisiert werden: Er steigt morgens stark an, flaut am Nachmittag leicht ab und sinkt in den Abendstunden. Die wesentliche Einflussgröße des variablen Verbrauchs ist das Wetter.

Mittellastkraftwerke, im Wesentlichen Steinkohlekraftwerke, brauchen eine Vorlaufzeit von wenigen Stunden, um auf ihre volle Leistung zu kommen. Da die Verbrauchskurve wegen der Erfahrung und der Wettervorhersage gut geschätzt werden kann, bekommt jedes Mittellastkraftwerk seinen täglichen variablen Fahrplan. Spitzenlastkraftwerke, im Wesentlichen Pumpspeicherwasserkraftwerke und Gaskraftwerke, benötigen zum Anlaufen nur wenige Minuten und decken die nur für kurze Zeit auftretenden höchsten Belastungen ab.

Wie werden nun Windkraftanlagen in diese Struktur integriert? Auch ihre Leistung lässt sich durch die Großwetterlage innerhalb von 24 Stunden einigermaßen abschätzen, so dass nur der Fahrplan der Mittellastkraftwerke angepasst werden muss. Es müssen also keine konventionellen Kraftwerke außer der normalen Reserve mitlaufen, um eventuell plötzlich ausfallende Windkraftleistungen ersetzen zu können.

Allerdings funktioniert dies nur, solange tatsächlich genügend Kraftwerksleistung vorhanden ist, um vorhersehbar fehlenden Windstrom zu ersetzen. Im saisonalen Maßstab ist dies prinzipiell eine Herausforderung, da in Europa im Winter deutlich mehr Strom aus Windenergie erzeugt wird als im Sommer. Im europäischen Maßstab drängt sich hier eine Lösung förmlich auf: der Ausgleich durch die Nutzung der Wasserkraft. In skandinavischen und alpinen Wasserkraftwerken könnte man im Winter und im Frühjahr durch einen minimierten Verbrauch die Wasserspiegel steigen lassen, um sie dann in den windarmen Sommermonaten zu nutzen.

Ein weiteres Argument der Windkraftgegner ist die angeblich niedrige Zahl der Volllaststunden der Windkraftanlagen. Oft wird hier die Zahl von 1 530 Stunden als Durchschnitt für Deutschland angeführt. Sie wird jedoch mit der Zahl der Betriebsstunden verwechselt. Tatsächlich laufen Windkraftanlagen in Deutschland in der Regel über 5 000 Stunden im Jahr, das insgesamt 8 760 Stunden hat, normalerweise aber nicht mit voller Leistung. Die Stromproduktion einer Windkraftanlage mit 1 500 bis 2 000 Volllaststunden ist dennoch immer noch beeindruckend. So deckt eine heutige Standardanlage mit einer Leistung von 1,5 Megawatt und einem Rotordurchmesser von 70 Metern an einem durchschnittlichen deutschen Standort den jährlichen Verbrauch von etwa 1 000 Haushalten.

Beliebt ist in den Debatten auch der Hinweis, dass Windkraftanlagen mit Steuergeld subventioniert würden, und so mancher Politiker sieht in diesem Bereich eine Einnahmequelle durch Kürzungen. In Wirklichkeit hat die Förderung der Windenergie mit Steuergeld nichts zu tun. Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist vielmehr ein fester Abnahmepreis für den Strom aus Windenergie festgeschrieben, der auf alle Stromkunden gleichmäßig verteilt wird.

Für Anlagen, die dieses Jahr in Betrieb gehen, beträgt er 8,9 Cent pro Kilowattstunde – garantiert über 20 Jahre. Konventionelle Kraftwerke liefern Strom für durchschnittlich drei Cent pro Kilowattstunde. Da Windstrom einen Anteil von fünf Prozent an der Stromerzeugung hat, verteuert sich daher jede Kilowattstunde etwa um 0,3 Cent. Für den durchschnittlichen deutschen Stromabnehmer mit einem Jahresverbrauch von 1 000 Kilowattstunden bedeutet dies eine Mehrbelastung von etwa drei Euro im Jahr.

Das Ziel, die Förderung der Windkraftnutzung zu senken, ist im Übrigen auch bereits in die jetzt gültige Regelung eingebaut. Jedes Jahr sinkt der Einspeisepreis um 1,5 Prozent.

Und schließlich stellt sich die Sinnfrage. Dient diese Mehrbelastung tatsächlich der Umwelt? Die Antwort lautet: Ja. Die Stromerzeugung in Windkraftanlagen bleibt ohne Emissionen und trägt deshalb weder zu saurem Regen noch zum Treibhauseffekt bei. Weder müssen Orte dem Tagebau weichen, noch müssen Endlager für Müll errichtet werden, der Tausende von Jahren strahlt. Nach ihrer Betriebszeit werden die Anlagen einfach abgebaut.

Dass mit Windkraftanlagen auch Geld verdient wird, ist in einer kapitalistischen Gesellschaft nichts Ungewöhnliches, sondern eine notwendige Voraussetzung, damit sie überhaupt gebaut werden. Die Feststellung des MDR-Magazins »Fakt«, dass in Deutschland durch Windkraft nur die Reichen reicher würden und Arbeitsplätze wegen der hohen Kosten verloren gingen, kann man daher getrost als allgemeingültige Beschreibung unseres Wirtschaftssystems verbuchen.