Endlich Nichtraucher!

Die Tabakhändler in Frankreich sind traditionell rechts eingestellt. Die Erhöhung der Tabaksteuer empört sie, und davon könnte der Front National profitieren. von bernhard schmid, paris

Es war nicht die fortschrittlichste, aber wohl die lauteste Demonstration der vergangenen Jahre in Paris. Zehntausende Silvesterböller und einige Leuchtraketen gingen los, als am Montag vergangener Woche die Tabakhändler durch die französische Hauptstadt zogen.

Rund 20 000 Demonstranten waren aus allen Ecken des Landes gekommen, um der Regierung mit dem Stimmzettel zu drohen: »Der Raucherkrebs führt zum Tumor in den Urnen.« Gleichzeitig drohten die Tabakhändler, ihre »täglich elf Millionen Kunden« entsprechend zu beeinflussen.

Die Tabakhändler, die in Frankreich meist auch Kaffee und Alkohol ausschenken, sind ein traditionell rechts stehender Berufszweig. Napoleon begründete ihn im Jahr 1800; der Staat hatte ein Monopol auf den Tabakhandel und führte eine Lizenz ein. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurden bevorzugt ehemalige Militärs oder Polizeispitzel mit diesen Lizenzen bedacht. Bis heute ist die Mentalität des Berufsstands konservativ bis reaktionär.

Jetzt empören sich die Geschäftsleute über den Staat, an dessen Monopol sie verdienen. Die Regierung beschloss eine kräftige Erhöhung der Tabaksteuern. Ab kommenden Juli wird das Päckchen Zigaretten in Frankreich 5,50 Euro kosten. Die Händler befürchten finanzielle Einbußen und einen Verlust an Kunden.

Der neofaschistische Front National (FN) betreibt vor diesem Hintergrund eine geschickte Politik. Bereits im Oktober schickte die Partei einen vierseitigen Brief an alle 34000 zugelassenen Tabakhändler in Frankreich. Darin verband sie die Ablehnung der Steuern mit weiter gehenden politischen Fragen.

Denn die Affäre der Tabaksteuern werfe die Frage nach der Wiedereinführung der Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union (EU) auf, die sträflicherweise abgeschafft worden seien. Es drohe das Ende der »in alle Himmelsrichtungen offenen Nation«, da der Zigarettenschmuggel sprunghaft zunehmen werde. Außerdem sei vermehrt mit Überfällen auf und Einbrüchen in Tabakläden zu rechnen, wenn der Zigarettenpreis unerschwinglich hoch steige. Daher brauche man mehr Polizei, um die »innere Sicherheit« zu garantieren.

Jean-Marie Le Pen, der Vorsitzende des Front National, reibt sich offenbar bereits die Hände. In der rechtsextremen Wochenzeitung Minute erklärte er, der extremen Rechten erschließe sich ein Millionenpublikum: die Raucher und, wegen der jüngsten Erhöhungen der Steuer auf Dieselkraftstoff, die Autofahrer.

Solche Erhöhungen der Verbrauchssteuern sind unpopulär und zudem sozial ungerecht, da die indirekten Steuern nicht proportional am Einkommen ausgerichtet sind. Die extreme Rechte sorgt sich aber selbstverständlich nicht um das Interesse einer Klasse – man könnte ja auch Lohnerhöhungen fordern –, sondern orientiert sich populistisch am Interesse des Verbrauchers. Erfolge kann der FN in dieser Frage allerdings nur einheimsen, wenn er verschweigt, was er im Parteiprogramm stehen hat: die Forderungen nach der Abschaffung der am Lohnniveau orientierten Einkommenssteuer und die Erhöhung der besonders unsozialen Mehrwertsteuer.

Auch bei anderen Themen gelingt es der extremen Rechten in Frankreich gegenwärtig, soziale Interessen anzusprechen, Begriffe zu verzerren und in ihren Diskurs einzupassen. Ein Beispiel hierfür ist das Motto der rechtsextremen Kampagne für die Regionalwahlen im kommenden März: L’insécurité sociale – die soziale Unsicherheit.

Dieser Begriff wurde in den vergangenen Jahren vor allem von der Linken und den Antifaschisten benutzt, und zwar in Anspielung auf das Konzept der »Unsicherheit« im polizeilichen Sinne, das vor anderthalb Jahren den Präsidentschaftswahlkampf der etablierten Parteien und des FN dominierte. Dieses »Unsicherheitsgefühl« sei nur eine Chiffre für die verbreitete Zukunftsangst, die aber in Wirklichkeit soziale und ökonomische Ursachen habe, betonten die Linken.

Die extreme Rechte versteht die »soziale Unsicherheit« selbstverständlich in einem anderen Sinne. Für sie gehört dazu die Furcht vor Straftaten ebenso wie die wirtschaftliche Unsicherheit und die Krise der Sozialsysteme. Dies alles seien nur Symptome einer um sich greifenden »Unsicherheit«, die aus der Aufhebung der Grenzen, der Zerstörung der Nationen und der traditionellen Hierarchien resultiere.

Über die Strategie des Wahlkampfs will der FN am 7. Dezember entscheiden. Dieser Wahlkampf wird möglicherweise der letzte Jean-Marie Le Pens. Der mittlerweile 75jährige bewirbt sich um die Präsidentschaft in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Le Pen tritt als Direktkandidat im besonders reaktionären Nizza an.

Seine Vision für die Region ist die eines »französischen Kalifornien«. Er plädiert für eine Erschließung des Hinterlands mit schwer bewachten Villen und Siedlungen für reiche Rentner.

Dass Le Pen aber langsam zu einem politischen Auslaufmodell wird, zeigte sein jüngster Fernsehauftritt mit dem Innenminister Nicolas Sarkozy. Diesem gelang es, ihn als gealtert und unsouverän erscheinen zu lassen.

Doch ein Ersatz steht schon bereit. Die jüngste Tochter des Parteigründers, Marine Le Pen, wird gegenwärtig zur Nachfolgerin ihres Vaters in der Parteiführung aufgebaut. Die 35jährige ehemalige Anwältin tritt auch als Spitzenkandidatin für die Präsidentschaft der Region Ile-de-France, des Großraumes Paris, an.

Sie knüpft für die Zukunft schon eifrig internationale Kontakte. Anfang Oktober traf sie in der Normandie Vertreter des rechtsextremen belgischen Vlaams Blok. Zwei Wochen später weilte sie in Washington D.C. und in New York, auf Einladung des Women Republican Club of New York, einer Frauenvereinigung der Republikanischen Partei der USA, vor der sie eine Rede halten durfte. Ob’s dabei ums Rauchen ging, weiß man nicht.